Bill Beau Beutlin

„Stand an der Kasse im Supermarkt an der Elben. Hobbit alles eingekauft und war frodo. Doch – Orks! Staubsauger-Beutlin vergessen.“
(Peter Breuer auf Twitter)

Verfilmungen von Kultromanen sind Mist, heißt es. Die könnten gar nicht an die literarische Vorlage heranreichen, weil im Zuge des Medienwechsels zwangsläufig Information verloren gehen müsse. Schlimmer sei das Ergebnis nur noch andersherum, wenn also nachträglich das Buch zum Erfolgsfilm aufgelegt werde. – Die Einschätzung aus dem letzten Satz teile ich uneingeschränkt; da habe ich beim Buchdealer meines Vertrauens wirklich schon Schauderhaftes anlesen müssen.

Dass aber Romanverfilmungen unbedingt schlechter sein müssen als die Bücher, würde ich nicht unterschreiben wollen. Seit über fünfunddreißig Jahren bin ich treuer Fan der Geschichten von J.R.R. Tolkien, hatte erst den Herrn der Ringe in der deutschen Übersetzung gelesen und seither mehrfach auch den Hobbit und das Silmarillion in den Originalversionen ebenso wie auf deutsch. Und ich war sehr skeptisch, als ich mir zunächst wegen der Kiddies den Herrn der Ringe und den Hobbit als Hörspiele zugelegt hatte. Zahllose Urlaubsreisen im Auto mit ebenso zahllosen Durchläufen der Hörspiele (nicht etwa der Hörbücher!) ließen jedoch meine Skepsis schwinden; längst kann ich viele der Textpassagen mitsprechen und begeistere mich immer wieder an der akustischen Umsetzung.
Dann kam der Herr der Ringe ins Kino. Und natürlich waren die Filme wieder ganz anders als Bücher oder Hörspiele. Aber nach dem zweiten Durchlauf der Serie – erst Kino, dann DVD – war ich doch recht angetan. Ich wundere mich zwar, dass beim Lesen der Geschichte (eben erst wieder ausprobiert!) ganz andere Bilder in meinem Kopf ablaufen als die, die ich in den Verfilmungen kennengelernt habe. Tatsächlich trennt mein Gehirn die Genres weitgehend, und ich kann mich an allen drei Varianten mit ihren jeweiligen Stärken freuen.

Am letzten Wochenende war ich mit der Familie im Kino: den ersten Teil des Hobbit gucken.

Der Hobbit im Kaskade

Es war ein in mehrfacher Hinsicht denkwürdiger Kinobesuch. Seit Jahren schon haben wir nicht mehr zu fünft gemeinsam einen Film gesehen. Schließlich ist Tochter 1.0 ja schon neunzehn, und Sohn 2.0 wird in Kürze achtzehn; wer geht in diesem Alter denn noch mit seinen Eltern ins Kino, wie peinlich ist das denn?
Aber es wird vielleicht an den bereits erwähnten Hörspielen gelegen haben, den die Kiddies der heranreifende Nachwuchs womöglich immer noch mit den Familienfahrten in Verbindung bringt. Nur dass mittlerweile der Generationensprung unübersehbar war, weil uns hinter dem Fahrzeugsteuer eine Führerscheinnovizin zum Kino chauffierte, keine Mama, kein Papa.

Na ja, das Kino bot dann auch noch eine kleine Überraschung: In einer Ecke des überschaubaren Zuschauerraumes, links hinten, waren einige Sitzreihen durch raumhohe Glasscheiben vom Rest der Sitze abgetrennt. Ich dachte ja zunächst, es handle sich um die Raucherecke, bis ich erstaunt Halbnackte in Bademäntel oder Handtücher gehüllt hinter der Scheibe entdeckte. – Haha, sehr witzig, das Kino liegt direkt neben einem Schwimmbad, und scheinbar können Bade- oder Saunagäste dort auch Filme schauen. Wäre aber nichts für mich. Orks gucken in der Badehose geht irgendwie nicht.

Dann ging der Film auch schon los und nach einer halben Stunde hatte meine Sitznachbarin, Tochter 3.0, ihre zehn Finger verkrampft um meine Rechte gewickelt. Zu groß wurde die Spannung mit all den Trollen und Orks und Spinnen und Wargen auf der Leinwand. Da musste man schon mal wegschauen und sich dabei irgendwo verlässlich festhalten können.

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Nach dem Film haben wir natürlich alles Wichtige ausdiskutiert. Gollum sei ja wohl total süß und außerdem früher mal ein Hobbit gewesen, meinte Tochter 1.0, woran ich mich aus den Büchern gar nicht mehr erinnerte. Na ja, aber die Orks und die Warge seien gar nicht rübergekommen, oh nein, die hätten ja so plastikhaft ausgesehen wie mit Playmobil nachgespielt und abgefilmt. Besonders dieser weiße Ork, haha, ein Albino-Ork * …
Ha! Mit 48 Frames per Sekunde, wirft Techniksohn 2.0 ein. Doppelt so viele Bilder wie früher. Das sieht ganz komisch aus, so zappelig. – Das hätten auch alle seine Freunde gesagt.
Und überhaupt diese Zwerge, das waren gar keine Zwerge! Tochter 1.0 und Tochter 3.0 laufen sich jetzt richtig warm: Die sind doch viel zu groß! Ja, Gimli aus dem Herrn der Ringe, der war ein Zwerg. Aber diese hier reichen Gandalf fast bis zur Schulter. Echt jetzt.

Ob ihnen die Verfilmung nicht gefallen hätte, frage ich. – Doch, schon. Sehr sogar. Extrem spannend, meint Tochter 3.0. Damit hat sie natürlich recht; extrem spannend fand ich den Film auch. Auf der Leinwand ging es zwei Stunden lang am Stück zu wie auf der Achterbahn. Apropos: Die Flucht der Zwerge aus der Riesenhöhle der Orks erinnerte mich sofort an eine Szene aus einem der Klassiker um Indiana Jones, in der die Helden in Bergwerksloren in rasender Fahrt auf verschlungenen Gleiskurven aus einem Stollen fliehen. Prima abgekupfert, Herr Jackson!

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Mir war der Hobbit ganz ehrlich gesagt zu schnell, und ich glaube nicht, dass das an den 48fps lag. Mir fehlte die trotz aller Abenteuer vorhandene Beschaulichkeit der Reise, an die ich mich so gerne erinnere, wenn ich an Buch und Hörspiel denke. Aber es gibt durchaus auch Details, die mir gut gefallen haben. Obwohl es im tolkienschen Sinne fast schon blasphemisch ist, Zauberer zu entzaubern, bekommt dem Film eine gewisse Respektlosigkeit der Heldentruppe gegenüber Gandalf recht gut. Und Radagast, der Hexer aus den Wäldern, hat im Film ohnehin eher die Rolle eines Hofnarren zu erfüllen als die eines Zauberers. – Über die Banalisierung der alten Welt kann man natürlich geteilter Meinung sein. Aber ohne sie wäre der Hobbit auf ein reines Kampfspiel reduziert worden.

Ich bin jedenfalls jetzt schon gespannt, was wir gegen Jahresende im zweiten Teil vorgesetzt bekommen werden. Mal sehen, ob der Rest der Familie dann auch nochmal geschlossen mitkommt.

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*) Update am 24.01.2013: Zu den Auftritten des Albino-Orks, Radagasts, Galadriels und Sarumans habe ich eine Nachbesprechung geschrieben.

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