Es sprach der Ochs zum Es

Noche Buena

Dieses Bild ist eine Täuschung. Ein Locklüge, sozusagen. Vergleichbar mit diesen klebrigen Fliegenfängern. Mein hinterhältiger Weihnachtsgroupiefänger.
Das Gesteck hab ich mit einer Woche Verspätung zum halben Preis im Supermarkt erstanden. Und den Gedichtband hat mir irgendwer beim Wichteln angedreht. Ich mag Wichteln nicht. Und ich mag Weihnachten nicht. Mehr Deko als da oben sichtbar gibt ’s heuer nicht. Von Besinnlichkeit keine Spur, hier in der Wortmischerei. Außer vielleicht bei Tochter 3.0. Die bastelt, schreibt und verpackt seit Tagen wie besessen. Es sei ihr vergönnt.

Aber mich nervt ’s. Mich nervt der nasse Herbst da draußen. Mich nervt die zunehmende Genervtheit der Mitmenschen, je näher es auf die Feiertage zugeht. Mich nervt, dass ich wieder nicht widerstanden habe, trotz aller Vorsätze doch wieder Geschenke zu besorgen. Mich nervt, dass ich den Töchtern 1.0 und 3.0 versprochen habe, am 24. in diese völlig absurde Weihnachtsmesse mitzugehen.

Man stelle sich das so vor:
Die Kirche kann wegen des erwarteten gigantischen Ansturms nicht genutzt werden. Also haben sie eine Veranstaltungshalle angemietet. Altar auf der Bühne, Massenbestuhlung.
Morgen Nachmittag um vier endet besinnliche Messe[1], die Besucher verlassen die Halle durch die Türen auf der linken Seite, während den Besuchern der besinnlichen Messe[2] die Hallentüren auf der rechten Seite geöffnet werden. Wie in der U-Bahn am Hauptbahnhof. Mannomannomann!
Dabei hat der Kerl in der Kutte bis dahin noch nicht mal den Mund aufgemacht. Drücken Sie mir die Daumen, dass ich nicht ausfallend sarkastisch werde und mich die aufgebrachte Meute nicht ans Kreuz nagelt.

Wenn Sie bis Neujahr hier nichts Neues lesen, verständigen Sie bitte die Polizei.

Es sprach der Ochs zum Es:
wie lieb er trinkt, der Jes.
Auch wir woll bißchen prostern
so bis so gegen Ostern.

Die Tier im heilig Stall
griff froh zur Flaschen all.
Wed Es noch Ochs warn schüchtern.
Mar, Jos und Jes blieb nüchtern.

(Urs Widmer, aus dem abgebildeten Gedichtband)

7 Kommentare

    1. Verehrte Testsiegerin! Ich danke sehr für diesen Link. Es ist mir immer wieder eine große Freud‘, Weihnachtsgeschichten zu finden, die nicht so verpappt sind, so klebrig besinnlich.
      Meine Weihnachtstauglichkeit ist vor vielen Jahren jäh in Rauch aufgegangen, als die Töchter 1.0 und 3.0 sowie der Sohn 2.0 im kerzenbeschienenen Wohnzimmer gestanden sind, grausig geflötet und gesungen haben und den vier Großeltern dabei Herz und Auge aufgegangen sind.
      (Hab mich dann schweigend abgewandt und im Keller zu Ochs und Es gesellt, um ein bisschen zu „prostern so bis so gegen Ostern“.)

  1. Und? Überlebt?
    (Nach dem Text traue ich mich ja kaum noch, frohe Weihnachten zu wünschen. Könnte sein, dass Du mich genervt aus der Blogroll schmeißt. *zwinker*)

    1. Überlebt. Traumatisiert, aber überlebt. – Über Deine Weihnachtswünsche freu ich mich trotzdem. Denn: Jedem das seine, mir das meine & Dir das deine. Ich bin doch kein militanter Veganer, der anderen vorschreiben wollte, was ihnen schmecken und was sie gut finden sollen/müssen.
      (Ich hoffe, Ihr hattet ein schönes Fest, so wie Ihr Euch das vorgestellt habt. Meins war es halt nicht.)

  2. Unser Fest war wunderbar. Wunderbar zweisam. Nix müssen müssen, alles dürfen und vor allem keine Erwartungshaltungen glauben befriedigen zu müssen. Herrlich.
    Darf sich so gerne wiederholen.

    1. Glückwunsch, Ihr habt es gut. Bewahrt Euch das unbedingt. Weihnachten verkeilt zwischen drei „Kindern“, einer Ex und atemlosen Frömmlern ist eine Strafe.

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