Die Notwendigkeit, sich zu verlieben

Antje Joel „hat in der Liebe schon viel versucht. Besonders gut gegangen ist es nicht. Inzwischen ist sie so lange allein, dass sie sich fragt, ob da wohl noch was kommt – und ob sie das überhaupt will.“
SZ Magazin, 51/2015: Herzstillstand

Antje Joel schaut Nichtliebesfilme

Ich muss Euch unbedingt diesen Artikel aus dem Magazin der Süddeutschen Zeitung ans Herz legen. Die Samstagsbeilagen der SZ liegen bei meinen Eltern immer auf der Toilette herum, und wenn ich zu Besuch bin, blättere ich schon mal gern darin. Auf diese Weise bin ich auf die Nicht-Liebesgeschichte von Antje Joel gestoßen.
Sie erzählt darin Episoden über Männer, die sie enttäuscht haben. Und warum sie sie enttäuscht haben. Gut, solche Geschichten kann wahrscheinlich jede(r) aus seinem Leben berichten; ich habe bis jetzt auch mit mehr Frauen Schluss gemacht als andersherum. Immer aus Gründen. Daran ist nichts Besonderes.

Das Besondere an Frau Joels Text ist die Konsequenz, die sie inzwischen zackig gezogen hat. Sie erklärt ihre „Männerjahre“ für beendet, stellt – zwar ein bisschen über sich selbst verwundert – fest, dass ihr trotzdem nichts fehlt. Dann betreibt sie Ursachenforschung und stellt eine interessante These in den Raum:

In einem Interview […] las ich, die Fähigkeit, sich zu verlieben, gründe in denselben Bereichen des menschlichen Gehirns wie die Fähigkeit zu glauben. […] Möglicherweise schafft der, der nicht mehr zu glauben schafft, auch nicht mehr, sich zu verlieben. Vielleicht ist das Bedürfnis, sich zu verlieben, wie das Bedürfnis zu glauben, nur eine Phase. Die man in seinem Leben durchlaufen und überwinden muss. Auf dem Weg zu sich selbst. Und je näher man sich kommt, umso geringer das Bedürfnis.

Diese Vermutung anzunehmen, fällt mir gar nicht schwer. Überhaupt habe ich mich beim Lesen der Lebensliebesgeschichte von Antje Joel immer wieder auf merkwürdige Weise ertappt gefühlt. Oh Gott, wieso schreibt die das denn jetzt? Das habe ich doch selbst schon so oft gedacht.
Oder: Wie wahr, wie wahr; das hab ich auch schon so erlebt. Einer meiner Lieblingsabsätze des Artikels in dieser Hinsicht ist Joels Nagelprobe zu ihrer Annahme, sexuelles Verlangen könne bei Bedarf sicher wieder erweckt werden:

[…] Um meine Theorie bezüglich des wieder erweckbaren sexuellen Verlangens zu prüfen, nahm ich den Musikmann mit nach Hause. […] Leider konnte er keinen Sex haben, ohne von Liebe zu quatschen. Nach der ersten Nacht nannte er uns seinem Geschäftspartner, seinen Freunden und seiner Ex-Frau! gegenüber »zusammen«. Meinen Ärger darüber kommentierte er mit einem Stirnrunzeln und dem Begriff »bindungsunfähig«.

Obwohl die Autorin eine Frau ist und ich ein Mann bin, sind wir in Hinblick auf Denkprozesse und Überlegungen vermutlich ähnlich gestrickt. Es ist, soweit ich mich erinnere, noch nie vorgekommen, dass ich einen Magazinartikel gleich dreimal direkt hintereinander durchgelesen habe. Diesmal aber schon. Und seither knabbert mein Unterbewusstsein an dem Text wie ein Hund am Knochen, den man ihm vorwirft.

Irgendwie will mir dieser echt harte Knochen nicht so recht schmecken. Er macht beim Schlucken des Speichels jedes Mal so einen bitteren Nachgeschmack, so ein Gefühl, dass man dafür noch nicht bereit ist. Andererseits sieht man dem Knochen aber an, dass er wahr und wahrhaftig ist. Ohne Fehl und Tadel. So makellos, dass ich keinen Ansatzpunkt für Widerspruch finde.
Mal sehen, ob ich mir an ihm die Zähne ausbeißen, oder ihn doch noch lieber für eine Weile im Garten vergraben werde.

~

Wenn Sie also Single > 45 sind, oder planen erwägen, mit > 45 Single zu werden, dann sollten Sie dem Link ganz oben in meinem Text folgen und aufmerksam lesen. Die Lektüre schadet auch ganz sicher nicht, wenn Sie es vorziehen sollten, mit Ihrem Partner zusammenzubleiben. Oder wenn Sie < 45 sind. In diesen beiden Fällen erweitert die Geschichte zumindest Ihren gedanklichen Horizont.

So, und ich ich gehe mir gerade mal diesen Film „Sodbrennen“ mit Meryl Streep und Jack Nicholson besorgen. – Ein schönes Wochenende, Euch allen!

2 Kommentare

  1. Da fehlt was…lieber Wortmischer. Mir fehlt die Klarheit der Autorin zu sagen, so und so stelle ich mir das Leben in einer Beziehung vor. Das und das will ich und jenes brauche ich. Zuviele Menschen sind darauf ausgerichtet oder besser gesagt, wissen vor allem, was sie nicht wollen – so auch hier. Der Knochen wird vielleicht verdaulicher so ;-)
    Liebe Abendgrüße von der Mondgöttin

    1. Das ist wohl wahr, liebe Mondgöttin, und daran scheitern wohl auch sehr viele Beziehungen. Allerdings glaube ich, dass es sehr schwierig ist, von vornherein und ohne dabei eine(n) potenzielle(n) Partner(in) im Sinn zu haben, zu definieren, was ich mir (oder die Autorin sich) von einer Beziehung verspreche. Ich jedenfalls hätte da größte Schwierigkeiten; es kommt doch immer darauf an, wer da um die Ecke kommt und was man mit dem/der anstellen kann. Oder etwa nicht?

      Aber danke für die Ermutigung ;-}

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