Puh! – Kaum kommt man nach ein paar Monaten wieder zurück in die Wortmischerei, schon riecht es hier ziemlich schal & abgestanden. Um die ganze Freitagstexterbande in den letzten Wochen hier empfangen zu können, musste ich erst mal die Fenster aufreißen und durchlüften, auch wenn es draußen gerade zwanzig Grad weniger hat als noch in den vergangenen Monaten.
Ja, ich habe meine Schreiberei vernachlässigt. Das liegt in erster Linie daran, dass ich im Sommer 2017 nicht widerstehen konnte, meine freie Zeit so oft und so lange wie möglich in Spanien zu verbringen. Akuter Fall von Heimweh. Und dort, wo ich mich herumtrieb, gab es zu selten WLAN, als dass ich mich parallel auch noch im Internet hätte aufhalten können.
Aber wenn man lange weg war, gehört es sich doch wenigstens, etwas aus der Ferne mitzubringen. Deshalb habe ich Euch das Foto da oben mitgebracht. In einer der Unterkünfte gab es eindeutig zu viele Fliegen. Und weil wegen der Hitze nachts alle Türe offen stehen mussten, halfen auch die vorhandenen Fliegengitter vor den Fenstern nichts. Also rasch beim Chino* vorbei und dort sofort fündig geworden: Vier klebrige Fliegenfänger für eineinhalb Euronen. Ich weiß gar nicht, ob es diese Dinger in Deutschland noch gibt. Hier hab ich jedenfalls schon ewig keinen mehr gesehen. Wahrscheinlich dürfen die hier gar nicht mehr verkauft werden, von wegen „Würde des Fliegenlebens“, oder so. Aber was soll man machen; ich hasse es, früh morgens davon wach zu werden, wenn mir Fliegenscharen über den nackten Hintern krabbeln wie im Pferdestall.
In Spanien heißen die Dinger Atrapamoscas, also „Fang-die-Fliegen“, und liegen beim Chino direkt im ersten Regal hinter der Eingangstüre, auf Augenhöhe. Der Fangerfolg mit dem Atrapamoscas hielt sich jedoch in Grenzen, das sieht man auch auf dem Bildchen da oben. – Ich gestehe, es kam sogar vor, dass ich Fliegen händisch erschlug und dann mit spitzen Fingern auf dem Klebeband platzierte. Sozusagen als Lockvogel für seine Artgenossen: „Seht nur her, wie gemütlich das hier ist auf dem Klebestreifen!“ Hat aber auch nicht viel gebracht.
Um so erstaunlicher ist es, dass das Foto hier in Deutschland sofort als aktuelles Symbolbild zur Lage der Nation herhalten kann: Ein klebriger brauner Streifen, der Schmeißfliegen anlockt**.
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*) Der Chino, also der Chinese, ist in Spanien das, was bei uns früher Tante Emma war. Er führt ein Haushaltswarengeschäft, in dem es nichts gibt, was es nicht gibt … vom klebrigen Fliegentod bis zum salzsäurehaltigen Putzmittel. Der Chino muss nicht unbedingt Chinese sein. Manche Chinos sind auch Vietnamesen oder Pakistani. Der Chino zeichnet sich als Person nur dadurch aus, dass er stoisch in seinem Laden herumsitzt und den Handel möglichst wortlos abwickelt.
Aber immer ist der Chino ein technischer Avantgardist, der seine Kunden mit Dingen konfrontiert, die sie sonst noch nirgends gesehen haben. Mein Chino, also der mit dem Fliegenfänger, hatte neben dem Ausgang eine vollautomatische Kasse stehen. Das Produkt wird vor einen Scanner gehalten, Geldscheine, Plastikkärtchen oder Münzen in einen Kassenschlitz gesteckt oder einen Trichter geworfen. Alles bleibt drin, Wechselgeld kommt aus einer Rutschbahn aus dem Kasseninneren auf den Kunden zugeschlingert. Diese Kasse ist ein eigenständiges, vollkommen in sich geschlossenes Universum. Ich bin sicher, wenn jemand versucht, sie aufzubrechen, be- oder erschießt sie den Einbrecher auch noch automatisch und ohne Zutun des Ladenbesitzers. – Faszinierend!
**) Ich bin entsetzt. Sogar hier im beschaulichen Hochtaunuskreis legen die braunen Fliegenfänger zu und gehen mit 11,2 % noch vor den Grünen und der Linken als viertstärkste Kraft aus dem Rennen. Es wird ungemütlich am Fuße des Feldberges, irgendwie riecht es schon ein bisschen nach $(#€!$$€. – Ich muss unbedingt den Wohnungsmarkt in Barcelona im Auge behalten. Es könnte sein, dass ich 2021 ganz dringend & sofort hier wegziehen muss.