12.12.12, 12:12

Spanische BriefmarkeLiebe Leser,

als junger Wortmischer habe ich zu solchen Gelegenheiten Briefe geschrieben. Und auch bekommen. Meine Patentante zum Beispiel war eine, die kein Schnapsdatum vergessen hat und mir immer gute Wünsche in einem gefütterten Kuvert mit Sonderbriefmarke und dem emblematischen Poststempel zukommen hat lassen. Ich erinnere mich noch an das erste Mal zum 6. Juni 1966. Damals konnte ich gerade so lesen, selbst schreiben war noch nicht drin.

Die nächste Gelegenheit kam elf Jahre später. Im Juli 1977 habe ich nicht nur der Tante sondern auch der I. geschrieben, meiner damaligen Flamme. Das würde heutzutage™ kein Mensch mehr machen und „Flamme“ sagt auch niemand mehr. Aber damals hatten wir ja nichts; keine SMS, kein Twitter, und ich weiß gar nicht, ob das Telefon überhaupt schon erfunden war?
Weitere elf Jahre später – es war das Jahr, ich erinnere mich, in dem kurz nach dem Schnapsdatum auf einer Flugschau im deutschen Rammstein 70 Menschen starben – war ich im August kurz davor, einen Job in Barcelona anzutreten. Deshalb bekam in diesem Jahr nur mein Tantchen einen Brief, ziemlich knapp gefasst und mit einer hässlichen Standardbriefmarke der spanischen Correos.

Zeitsprung, Quantensprung: Im September 1999 war meine Tochter 3.0 gerade mal zwei Monate alt. Das war natürlich die Gelegenheit, der ganzen Familie Post mit Versandstempel vom 9.9.99 und einem Foto zukommen zu lassen. Das war auch das letzte Mal, dass ich ein Schnapsdatum zum Anlass für Briefeschreiben genommen habe. Denn zum einen erleben wir seit 2001 geradezu eine Inflation solcher „besonderer Tage“, so dass der Seltenheitswert schwer nachgelassen hat. Zum anderen hat sich auch mein Kommunikationsverhalten komplett verändert. Post auf Papier bekomme ich nur noch von Versicherungen, Versorgungsunternehmen und dem Finanzamt; und ich weiß gar nicht mehr, wann und an wen ich selbst meinen letzten Brief geschrieben habe. Und wer wird sich schon für eine lumpige E-Mail mit Versanddatum 11.11.11 interessieren? Mein Tantchen jedenfalls gewiss nicht. Die hat nämlich keinen PC.

~

Heute aber muss noch einmal geschrieben werden. Nicht auf Papier, Gott bewahre. Aber ins Internetz. Denn jetzt dauert es wieder fast zehn Jahre bis zur nächsten Gelegenheit. Bis zum 2. Februar 2022 dann also.

Zwölfendige Dezembergrüße
von Eurem Wortmischer

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