Oder: Als mich einmal der Oberbefehlshaber des Militärgebiets Pyrenäen Ost einlud.
Mein bester Kumpel Pepe hatte seinen Einberufungsbescheid für den Herbst 1990 bekommen und war in die Kaserne eines Gebirgsjägerbatallions in Berga eingerückt, einem kleinen katalanischen Städtchen etwa auf zwei Dritteln des Weges auf der Landstraße von Barcelona nach Andorra. Berga tut sich vor allem durch zwei Dinge hervor. Zum einen feiern seine Einwohner zu Fronleichnam das Fest La Patum (mit Betonung auf dem u und gehörten drei m), das aus Auftritten überlebensgroßer mystischer Symbolfiguren besteht, die zu rhythmischer Musik und Feuerwerk tanzen. Das hört sich wahrscheinlich abgefahren an, ist aber Bestandteil der Unescoliste für Kulturgüter der Menschheit; also hören Sie auf zu lachen.
Außerdem hat Berga der oft unverhohlenen Abneigung der Katalanen gegen das spanische Königshaus dadurch formalen Ausdruck verliehen, dass der Magistrat im vergangenen Mai König Juan Carlos I. zur Persona non grata erklärte.
Einundzwanzig Jahre vor dieser düpierenden katalanistischen Entscheidung – Ha! Auf diese Weise finde ich so ungeheuer elegant zurück zu meiner eigentlichen Geschichte! – sollten die Rekruten in Pepes Einheit im März den Fahneneid ablegen. Da im Anschluss an den feierlichen Akt ein Tag der offenen Tür geplant war, während dessen sich die Wehrpflichtigen frei bewegen durften, wollten wir einen Ausflug in die Pyrenäen machen. Weder Pepe noch wir, seine Freunde, waren dem Militär in irgendeiner Weise positiv zugetan. Also planten wir statt Kasernenbesuch eine Wanderung.
Pep besorgte offizielle Einladungen für Paco, Jaume und für mich, so dass wir zum Zwölfuhrläuten den Treuekundgebungen der frisch gebackenen Gebirgsjäger lauschen und unsere abfälligen Kommentare dazu abgeben konnten. – ¡Sí, mi sargento!
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Als den anderen Besuchern an ihren Einladungskarten die Acceso-Puertas-Abiertas-Ecken abgerissen wurden und sie die Besichtigung der mindestens prächristlichen Kasernengebäude angingen, machten wir uns auf den Weg nach Nordosten in Richtung eines Stausees. Für einen dritten März in den Pyrenäen war das Wetter einfach sensationell. Die Sonne brannte vom Himmel und bald hatten wir sogar die T-Shirts abgelegt. An einem der Zuflüsse in den Stausee angelten wir uns ein paar Fische und sannen dabei darüber nach, wie um alles in der Welt die Deutschen auf die Idee kamen, licencias de pesca, also Angelscheine, zu vergeben und auch noch zu kontrollieren. Dann saßen wir um unser Grillfeuer, zerlegten die Fische und tranken rundum Rotwein aus der bota.
Man muss sich die Gegend wie Voralpen mit mediterranem Pflanzenbewuchs vorstellen. Den Geruch der Pinien hatte ich noch heute in der Nase, als ich die alte Einladungskarte aus einem Buch zog, in dem sie zwei Jahrzehnte als vergessenes Lesezeichen überdauert hatte.
Nach dem Essen haben wir dann mit diesem Trinkspiel angefangen: En casa del Tío Maragato mataron un gato – Im Haus von Onkel Maragato haben sie eine Katze getötet. Auch wenn es Liebhabern von Katzencontent nicht einleuchten mag: Das ist ein sehr lustiges Spiel, wer sich für die Regeln interessiert, klickt unten auf „mehr“. Wir hatten bald den Weinschlauch geleert und hielten Siesta unter den Pinien.
Wir wachten auf, als es kühl und die Zeit für Peps Rückkehr in die Kaserne knapp wurde. Da hatten wir es dann auf einmal sehr eilig und liefen alle wie Rekruten im Laufschritt zurück nach Berga. Ergebnisse des Tages: Knoten in der Zunge vom Tío Maragato, Sonnenbrand auf Pepes Stoppelglatze und mir ist auf der Heimfahrt nach Barcelona auf dem Motorrad ganz schön kalt geworden.
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Vielen Dank, Herr Oberbefehlshaber, für Ihre Einladung!
Spielregeln: Einer der Teilnehmer wird zum Spielleiter Onkel Maragato gekürt. Alle anderen bekommen möglichst ungewöhnliche Kampfnamen verpasst; ich glaube, ich hieß damals Don Furcio el Peludo. Onkel Maragato beginnt:
„En casa del Tío Maragato mataron un gato. Lo mató Don Furcio el Peludo.“
(Im Haus von Onkel Maragato haben sie eine Katze getötet. Es war Furcio der Haarige, der sie getötet hat.)
Während er Don Furcio beschuldigt, darf er durchaus einem anderen Mitspieler bedeutungsvoll in die Augen sehen, um Verwirrung zu stiften.
Nun muss Don Furcio sofort reagieren und empört ausrufen: „¡Mientes, bellaco!“
(Du lügst, Schuft!)
Kommt der Ruf zu spät, dann trinkt Don Furcio. Fühlt sich jedoch ein anderer Mitspieler fälschlicherweise angesprochen und antwortet anstelle Don Furcios, dann muss er trinken.
Dann fragt Onkel Maragato nach: „¿Quién lo mató?“ (Wer hat sie dann getötet?)
Und Furcio antwortet unverzüglich: „Lo mató Francisco Franco i Vilanova.“ (Es war Francisco Franco i Vilanova, der sie getötet hat.)
Ratet, was Francisco tun muss, wenn er zu spät reagiert. Und was jeder Mitspieler tun muss, wenn er seinen Einsatz verpasst oder die Namen durcheinander bringt. Und was man tun muss, wenn man sich verhaspelt. – Richtig: Man trinkt.
Nach jedem Fehler geht das Spiel von vorne los. Gnadenlos. – Viel Spaß beim Spanischlernen.
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