Alle Welt jammert darüber, dass niemand mehr Socken stopft, sondern löchrige Fußsäcke sofort ausmustert und der Entsorgung zuführt. Wo bleibt denn da die Nachhaltigkeit! – Ich jedenfalls halte es für meinen Auftrag, an dieser Stelle einmal einen Kontrapunkt zu setzen und ein leuchtendes Gegenbeispiel anzuführen, um in Ihnen das Verlangen zu schüren, sich der Bewegung anzuschließen und der Verschwendung Einhalt zu gebieten.
Im Jahre des Herrn 1996 wurde Tochter 1.0 zu ihrem dritten Geburtstag mit einem Radiorekorder beschenkt. Im Laufe der folgenden Jahre dudelten sämtliche Folgen von Bibi Blocksberg, Benjamin Blümchen und dem Kleinen Vampir in Dauerschleife über den Magnetlesekopf der Kassetteneinheit. Erst zum Jahrtausendwechsel begannen die Magnetbänder zu leiern und sich von den Spulen abzuwickeln, bis das Laufwerk schließlich komplett den Dienst verweigerte. Andere hätten das Gerät zu diesem Zeitpunkt auf den Wertstoffhof in Rente geschickt; nicht aber so Wortmischers. Tochter 1.0 machte aus der Not eine Tugend und verschenkte das noch funktionsfähige Radio zu Weihnachten an Tochter 3.0, die sich fortan stundenlang mit Drehknopfzapping und Radiosenderhopping zu beschäftigen wusste.
Wir springe in den April 2006. Wortmischers ziehen um. Der ehemalige Radio-Kassettenspieler hat mittlerweile auch seine ausziehbare Chromantenne eingebüßt und gibt nur mehr signalstarke Programme regionaler Sender wieder – unterlegt von ätherischem Rauschen, als handle es sich um SOS-Rufe extraterrestrischer Raumfahrer. (Böse Zungen behaupten, dies liege vorwiegend an der Aussprache hessischer Radiomoderatoren. Ich enthalte mich hier einer eigenen Meinung.)
Aber wussten Sie schon, dass man abgebrochene Teleskopantennen mit Hilfe von etwas Blumendraht und einer Kombizange funktional durchaus ersetzen kann? Sieben weitere Jahre lang, bis in die vergangene Woche hinein, stand das Rumpfradio im wortmischerschen Badzimmer auf dem Ablagesims. Der Empfang war auf einen einzigen Sender beschränkt, da sich zuletzt der Einstellknopf gelöst hatte. Bei der ultimativen Sendersuche mittels einer Spitzzange, brach auch noch die Achse ab, so dass das Radio über seine letzten Jahre hinweg ausschließlich mit der Zunge von Bayern 2 sprach.
Trotz allem hörten wir ihm zu. Soviel Wertschätzung erfährt hier beileibe nicht jedes Familienmitglied, soviel sei an dieser Stelle gesagt. Aber seit dem Jahreswechsel wollte die Stromversorgung nicht mehr so wie wir. Das Kabel steckte, wurde nach einem Anfangsverdacht sogar ersetzt, aber trotzdem gingen alle paar Minuten die Lichter aus und der Apparat verfiel in beleidigtes Schweigen. Wir haben ihn dann im siebzehnten Lebensjahr einschläfern lassen.
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Seit dem Wochenende steht in unserem Badezimmer so eine neumodische Kiste, ein Internetradio. Man kann mit diesen Dingern geschätzt mindestens eineinhalb Millionen Radiosender weltweit empfangen. Heute Morgen durfte ich beim Zähneputzen den Verkehrsmeldungen rund um Barcelona in katalanischer Sprache lauschen. – Ich sage Ihnen: Herrlich entspannend!