Heute ist es soweit: Zum Welttag des Buches, stelle ich hier im Blog mein absolutes Best-of-Lieblingsbuch vor und verlose ein Exemplar mit persönlicher Widmung unter allen interessierten Kommentatoren*. Auch wenn die wirtschaftliche Lage in Spanien derzeit nicht zum Besten steht, werden in Katalonien heute größere Mengen an roten Rosen und Büchern über die Ladentische gehen. Denn die Idee zum internationalen Tag des Buches entstand im vergangenen Jahrhundert in der nordöstlichsten Provinz Spaniens, als der valencianische Schriftsteller Vicente Clavel Andrés diesen Gedenktag der Cámara Oficial del Libro de Barcelona vorschlug. Nur wenig später, im Jahr 1930, wurde der 23. April tatsächlich zum Tag des Buches gemacht und fällt somit auf den Namenstag des Schutzheiligen von Katalonien und Aragón, des Sant Jordi; in Nordspanien tauschen seither verliebte Paare am Tag des Heiligen Georg, dem día de la rosa y del libro, eine Rose und ein Buch aus. – Die heutige Blogaktion passt also hervorragend zur schönsten Stadt der Welt, zu Barcelona.
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Und der schönste Roman über Barcelona ist meiner Meinung nach Carlos Ruiz Zafóns Der Schatten des Windes. Es handelt sich um ein wunderbares Konstrukt aus Thriller und mystischer Erzählung um die Liebe zu Büchern, zu der alten Hafenstadt am Mittelmeer und zu unnahbaren schönen Frauen. Die Handlung spielt in der Zeit der Nachwehen des spanischen Bürgerkrieges in den Jahren nach 1945.
Die Geschichte um den Protagonisten und Ich-Erzähler Daniel Sempere ist komplex und bleibt über die gesamte Romanlänge von über 500 Seiten hinweg überraschend. Im Alter von zehn Jahren entdeckt Daniel einen Roman mit dem Titel Der Schatten des Windes eines unbekannten Autors namens Julián Carax. Der Junge findet das Buch im „Friedhof der Verlorenen Bücher“, einer unüberschaubaren Sammlung zigtausender Bände vergessener Literatur, die irgendwo in der Altstadt der katalanischen Metropole untergebracht und nur einer geheimbündlerischen Gemeinschaft von Buchhändlern zugänglich ist. Die Romangeschichte in der Geschichte zieht Daniel so sehr in ihren Bann, dass er sich anschickt, mehr über dessen Autor herauszufinden. Im Laufe der folgenden zehn Jahre gerät Daniel in einen Strudel von Ereignissen, die aus dem Leben Julián Carax‘ gegriffen zu sein scheinen.
Was den Schatten des Windes so unwiderstehlich macht, dass man das Buch kaum aus der Hand legen mag, ist in erster Linie gar nicht die Geschichte des jungen Daniel sondern die kraftvolle Schilderung der gesellschaftlichen Ereignisse und des Lokalkolorits Barcelonas in der Zeit nach dem Bürgerkrieg. Die Auftritte des erstaunlichen Stehaufmännchens Fermín Romero de Torres (Szenenapplaus!) verleihen dem Plot eine herzerwärmende Lebendigkeit. Dessen Gegenspieler, der ruchlose Kriegsgewinnler Fumero, lässt den Leser die unbarmherzige Grausamkeit der Polizei erkennen, die im Klammergriff der Diktatur die Menschen unterjocht; die Leiden eines homosexuellen Uhrmachers des Stadtviertels, in dem Daniel lebt, machen deutlich, mit welcher Gnadenlosigkeit die Obrigkeit damals gegen Lebensentwürfe vorging, die nicht den vorgegebenen Werten der Gesellschaft entsprachen.
Eingewoben in all diese bunten Geschichten in der Geschichte treibt der Autor stets zielstrebig die Entwicklung des Protagonisten Daniel voran, dessen Verstrickung in die Welt „seines“ Buches, die Liebe zur älteren Clara und die immer deutlicher hervortretenden Konturen des vergessenen Schriftstellers Julián Carax.
Der Schatten des Windes ist alles in einem: ein außergewöhnlich gut erzählter historischer Roman in Form einer Momentaufnahme der Stadt der Städte am Wendepunkt der spanischen Geschichte; mitreißende Unterhaltung; ein Quell spritziger Dialoge, die den Leser zum Schmunzeln bringen; und schaurige Geschichte um das Schicksal eines verbitterten Literaten, die im Folgeroman Das Spiel des Engels seine erneut ungewöhnliche und unerwartete Fortsetzung findet. – Aber das ist dann eine andere Geschichte.
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Ich verlose den Roman, weil ich überzeugt bin, dass jeder echte Bücherfreund diese Geschichte gelesen haben muss. Außerdem passt sie als Liebesschwur an das gedruckte Wort wie die Faust aufs Auge zum heutigen Welttag des Buches. Es handelt sich um eine Taschenbuchausgabe in deutscher Übersetzung, die bisher ungelesen blieb, da ich mich bereits am spanischsprachigen Original La sombra del viento abgearbeitet hatte.
Es mag zwar sein, dass ich den Roman überbewerte, da ich – wie vielleicht der einen oder dem anderen bekannt ist – lange Zeit in Barcelona gelebt habe. Trotzdem glaube ich, dass kaum jemand das Buch gelangweilt aus der Hand legen wird, bevor er oder sie auf Seite 562 angelangt sein wird. Der Schatten des Windes ist definitiv eine Geschichte, die man mehr als nur einmal lesen wird wollen.
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*) Regeln zur Verlosung: Wer meinen Lieblingstitel Der Schatten des Windes gerne haben möchte, schreibt bis zum 29. April 2013 um Mitternacht einen Kommentar zu diesem Blogeintrag ins Formular unter diesem Text. Damit gegebenenfalls auch Mitleser kommentieren können, die sich nicht für das Buchgeschenk interessieren, tippt bei Interesse bitte den Tag #willhaben in den Kommentar; damit erleichtert Ihr mir die Arbeit und signalisiert mir, dass Ihr am Roman interessiert seid und ihn noch nicht selbst im Regal stehen habt. Euer Kommentar sollte in diesem Fall eine – hier keinesfalls öffentlich angezeigte, sondern nur für mich auslesbare – E-Mailadresse enthalten, unter der Ihr rund um den 30. April 2013 tatsächlich erreichbar seid. Ich schreibe die Gewinnerin oder den Gewinner nach der Verlosung an, um nach der Versandadresse und dem Vornamen des Empfängers (wegen der Widmung) zu fragen.
Die Verlosung findet garantiert ohne Aufsicht eines Notars statt. Mit Engelszungen werde ich versuchen, Tochter 3.0 zu umgarnen und als Glücksfee zu gewinnen, falls sich mehr als ein Interessent meldet. – Bonne chance!
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Update, 13 Uhr: Links zu anderen Lesefreudeverschenkern, die ich besucht habe
- Pudelmützes Bücherwelten
- GeschichtenAgentin
- El Tragalibros
- Tintenhain
- Frau Tonari
- Textwerk
- Das beste Buch der Welt
- Pinkfisch
- SchöneSeiten
(Es gibt nun übrigens doch eine komplette Liste aller 1.008 Teilnehmer.)
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