Seit inzwischen sieben Jahren parkt Herr Albert seinen Wagen in einer Wohnstraße in der Nähe seines Arbeitgebers, von Montag bis Freitag, acht Uhr dreißig bis siebzehn Uhr. In der ganzen Zeit fand er ab und zu kleine Werbekärtchen an seinem Automobil vor, wenn er abends nach vollbrachtem Tagwerk zu seinem Gefährt zurückkehrte. Meist steckten diese Kärtchen zwischen Seitenscheibe und Gummidichtung, manchmal auch in der Griffmulde der Fahrertüre: „Wir kaufen Ihren Wagen. Jetzt oder später. Auch mit Unfallschaden. Wir zahlen bar!“
Da man – und insbesondere Herr Albert – ja nie weiß, wann genau und aus welchen Gründen der mobile Untersatz veräußert werden sollte, sammelte er die Kärtchen gewissenhaft in der Schreibtischschublade seines Büros, die er für Privates reserviert hat.
Ehrlich gesagt sammelte Herr Albert die plastifizierten Werbekärtchen gar nicht wegen der vagen Verkaufsoption. In Wirklichkeit hasste er diese unangeforderte Werbung und ergab sich ab und zu in revolutionären Tagträumen, in denen er einen Kleinlaster mieten, den Kärtchenberg auf die Ladefläche werfen und dem Werbe-Erdal vor die Haustüre kippen würde.
Natürlich war das Quatsch, denn kaum einer der Erdale oder Özdemirs oder wie sie auch immer hießen hatte insgesamt mehr als fünf oder sechs Kärtchen hinterlassen. Außerdem wäre ein Kleinlaster völlig überdimensioniert gewesen angesichts der Gesamtmenge von schlappen 59 Kärtchen. Aber Herrn Albert gefiel trotzdem die Idee der Rache des kleinen Mannes.
Er hatte sich schon bei Gedankenspielen ertappt, in denen er ganze Straßenzüge abklapperte, um solche Kärtchen von fremden Fahrzeugen abzupflücken, zu sammeln und dann tatsächlich bergeweise den Verursachern der umweltverschmutzenden Werbung auf die Höfe zu kippen. Man hätte ja auch eine Internetseite ins Leben rufen und um Zusendung aller Kärtchen bitten können. – Ja, das hätte ihm gefallen, dem Herrn Albert, dem Sammler von unerwünschter Autoaufkaufwerbung.
Aber letztlich besah er sich lediglich die gesammelten Kärtchen und klassifizierte sie in Kategorien wie „reiner Werbemüll“, „Werbemüll mit Flensburg-Punkte-Hinweisen“ und „Werbemüll mit Kalenderrückseiten“. Irgendwann wollte, ja musste er diese Visitenkarten des Grauens in einer Tabelle katalogisieren und …
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Na ja, und was genau dann?
Ich habe sie auch lange gesammelt, weil ich einen Blogbeitrag dazu schreiben wollte. Beim Wollen ist es geblieben, denn in einem Anfall von Aufräumwut landeten alle im Müll. ;-)
Alle bis auf eine. Die zog es versehentlich beim Öffnen des Fensters ins innere der Wagentür.
Ich sehe schon: Herr Albert ist ein Muster an Selbstorganisation. Aber diese Angebotskärtchen sind schon ein Ärgernis erster Güte.
Ich habe schon mal überlegt, ob ich die gesammelten Karten nicht immer an der gleichen Stelle loche, sie an einem Strick auffädele und an den Rückspiegel hänge, wie eine Skalpsammlung sozusagen. Ich musste das leider verwerfen aus zweierlei Gründen: ich habe die letzten 7 Jahre gar kein eigenes Auto gehabt und außerdem, so heißt es in einschlägigen Magazinen, Fernsehsendungen usw., ist das Anbringen irgendwelchen Tünnefs am Rückspiegel eine Einschränkung des eigenen Sichtfelds beim Fahren und somit eine Gefährdung für den Straßenverkehr.
*lach* Also ich finde die Idee der Skalpsammlung prima. Muss wohl mal mit Herrn Albert reden.