Tochter 3.0 (15), Frau W., Herr W., Opa & Oma sitzen nach einem heißen Sommergeburtstag mit leichten Spuren der Erschöpfung auf Sofas und Sesseln herum. Das Bier schwappt träge im Glase, eine dicke Schmeißfliege torkelt immer wieder mit sonorem Brummen gegen die Fensterscheibe.
Tochter 3.0: „Werde ich Tante?“
Frau W. (wirft verstörte Blicke in die Runde): „Hä?“
Opa & Oma (schweigen).
Tochter 3.0: „Weil sie mir in Facebook alle gratulieren, meine ich.“
Herr W.: „Wer gratuliert? Und wozu?“
Tochter 3.0: „Heute Mittag hatte ich drei Geburtstagsglückwünsche in den Kommentaren. Und alle haben sie auch Glückwünsche für mich als Tante dazu geschrieben.“
Frau W. (mit flackerndem Blick): „Und wie kommen sie drauf?“
Tochter 3.0: „Na ja, die T.* hat wohl gepostet, dass sie Mutter wird.“
*) Anm. der Red.: Die T. ist Freundin von Sohn 2.0 (18)
Frau W. und Herr W. sehen sich verstört an. Wer von beiden hatte genehmigt, Großelternteil zu werden? Oma & Opa blicken unruhig in die Runde. Sie haben noch nicht mitbekommen, dass sie Urgroßeltern werden sollen.
Frau W. (mit Zittern in der Stimme): „Wo steht das?“
Tochter 3.0: „Was weiß denn ich! Ich war doch heute den ganzen Tag mit Euch unterwegs und nicht im Internet!“
Alle: „…“
Tochter 3.0: „Gib mir Dein Smartphone, Mama, dann schau ich nach.“
Tochter 3.0 fummelt auf dem Bildschirm von Frau W.s Fairphone herum, tippt, wischt, drückt. Frau W. und Herr W. wanzen sich von links und rechts an Tochter 3.0 ran. Auf dem Bildschirmchen erscheint ein Foto der T. mit Sohn 2.0 und dann der Text: „Es ist jetzt offiziell: Ich werde Mutter.“ Es folgen haufenweise Likes, Glückwünsche und Yolos. Opa & Oma sehen einander weiterhin verständnislos an. Auf Herrn W.s Stirn bilden sich Schweißtropfen. Die Fliege surrt verzweifelt.
Frau W. (kreischt): „Gib mir das Telefon. Ich ruf ihn an!“
Tochter 3.0: „Erst wenn ich mich ausgeloggt habe. Sonst postest Du noch irgendwas und alle denken, ich war’s.“
Herr W. (tippt währenddessen ein Telegram an Sohn 2.0): „Hast Du uns etwas mitzuteilen?“
Telefon von Herrn W.: „Zwitscher!“
Herr W.: „Er schreibt, es war ’ne Wette. Die T. hat gewettet, dass sie sich traut, das Gerücht in die Welt zu setzen.“
Frau W. (erstarrt mitten in der Tippbewegung): „Sicher?“
Telefon von Herrn W.: „Zwitscher!“
Herr W.: „Hoch und heiliges Ehrenwort, schreibt er.“
Oma: „Was ist los?“
Frau W., Tochter 3.0 (im Duett): „Ach, nichts!“
Die dicke Fliege hat inzwischen ihren Weg nach draußen gefunden. Herr W. geht in den Keller. Frisches Bier holen.
Höhö! Kleiner Schock am Abend …
Ächz. Meine Herzkranzgefäße.
Oh. Mein. Gott.
Ich lese diesen Beitrag erst jetzt, weil der RSS- oder was auch immer Reader die Beiträge dieses köstlichen Blogs im Dateiennirvana abzuspeichern beliebte, wo ich sie eben zufällig entdeckte.
Ich kann die Aufregung, das Herzklopfen, das Gefühl in der Magengrube, das sich langsam errötende Gesicht und die feuchten Hände nach Lektüre dieses Postings punktgenau abrufen. Auch mich foppt das große Kind von Zeit zu Zeit mit derlei Nachricht. Das Nichtvorhandensein eines festen Freundes ist schließlich kein Garant für das Nichteintreten anderer Umstände und ich warte jedes mal sehnsüchtig auf das Aufploppen eines Smileys in der entsprechenden whatsapp-Nachricht und das erlösende „war nur Quatsch“.
Ich weiß nicht, wie es bei Sohn 2.0 verhält, aber die Früchtin meines Schoßes ist noch weit davon entfernt, bei sich selbst gelandet zu sein. Ich werde diese Situation noch öfter durchleben, bis eines Tages dem Smiley kein „war nur Quatsch“ mehr folgt.
Malen Sie mal die Teufelin nicht an die Wand …