Über Johannes Mirus wurde ich auf einen Artikel von Stephan Noller aufmerksam, in dem der Autor seinen Sorgen um magelhafte EDV-Integration an deutschen Schulen Ausdruck verleiht. Das mag sicher für einige, oder meinetwegen sogar für sehr viele Schulen richtig sein, aber bestimmt nicht für alle.
Ich bin selbst an einer Schule angestellt (wenn auch nicht als Lehrer) und möchte die Kritik relativieren. Meine Schule ist nicht reich und auch nicht groß. Aber wir verfügen über einen IT-Kursraum mit neuen Arbeitsplatzrechnern und der aktuellsten Windows-Installation.
Es gibt WLAN mit hoher Bandbreite für Lehrer und Verwaltungsangestellte sowie ein Intranet für die Oberstufenklassen, über das Lehrer und Schüler Aufgaben, Lösungen und Informationen austauschen können.
Und wir betreiben eine verschlüsselte Cloudinstallation, über die Lehrer, Eltern, die Verwaltung und Dienstleister der Schule in Arbeitsgruppen Dateien gemeinsam nutzen können und nicht mehr sensible Daten ungeschützt als E-Mailanhänge hin- und herschicken müssen – wie das sonst selbst noch in Wirtschaftsunternehmen üblich ist.
Das finde ich für unseren kleinen Laden eigentlich ziemlich beeindruckend. Ganz schrecklich ist es also um unsere EDV-Integration nicht bestellt. Allerdings sind auch an unserer Schule für Schüler Smartphones und WLAN-Zugriff verboten. Das hat Gründe. Allerdings nicht die, die Stephan Noller vermutet. Ich übernehme einmal die Kurzfassung von Johannes zu den Gedanken:
Stephan Noller musste miterleben, wie Handys an der Schule seiner Tochter komplett verboten wurden. Er zieht sehr intelligente Schlussfolgerungen. Da wären zum einen die Lehrer, die eine Machtverschiebung spüren, weil Schüler nun Faktenwissen checken können: „Ein Handy in der Hand einer Schülerin verschiebt das im traditionellen Bildungs-System angelegte Machtverhältnis von LehrerIn zu SchülerIn auf dramatische Weise – (…) das Smartphone stellt letztlich das ganze auf Fakten-Wissen angelegte System in Frage, und das ist bei Licht betrachtet ein riesiger Teil des Bildungs-Systems.“ Und die Eltern? „Die Menschen spüren, dass wir am Rande einer kaum mehr aufzuhaltenden Revolution stehen, die alle Gesellschaftsbereiche betreffen, und kaum einen Stein auf dem anderen lassen wird.“ Also Angst vor Veränderungen.
Ich behaupte einmal, dass weder unsere Lehrer Angst vor einer Machtverschiebung, noch unsere Eltern Angst vor Veränderungen haben. (Okay, sicher bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel.)
Vielmehr gab es in der Vergangenheit immer wieder Fälle, in denen Schüler Smartphones in einer Weise verwendeten, die die Schule zum Handeln gezwungen haben:
Während Klassenarbeiten wurden Aufgaben nach draußen und die Lösungen wieder zurück geschickt. Erstaunlicher Weise hatte plötzlich ein Großteil der Schüler die gleichen richtigen Lösungen und auch die gleichen Fehler auf ihren Prüfungsblättern stehen.
Ebenfalls während der Unterrichtszeit wurde von Schülern über erschlichene WLAN-Zugänge Filesharing in großem Stil betrieben, das unser ziemlich großzügig ausgelegtes Monats-Datenvolumen innerhalb von zwei Tagen ausgelutscht hatte.
Außerdem nahmen Beschwerden von Lehrern zu, dass ihre Schüler im Unterricht alle paar Minuten ihre WhatsApp-Nachrichten checkten und antworteten.
Seither werden Smartphones an unserer Schule gemäß Hausordnung eingezogen, wenn jemand damit in der Hand erwischt wird. Wir verbrennen sie allerdings nicht, sondern geben sie nach Unterrichtsende an die Besitzer zurück.
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Ich bin ja nun selbst überzeugt davon, dass Schulunterricht in nicht zu ferner Zukunft und in wachsendem Maß in digitaler Form stattfinden wird, so wie das heute schon an Universitäten der Fall ist. Tablet-PCs werden auch in unsere Klassen Einzug halten.
Wie wir aber mit dem schleichenden Übergang zwischen notwendiger Faktenrecherche und nicht unterrichtsbezogenem Missbrauch umgehen sollen, das muss sich mir erst noch offenbaren.
Hm, meiner Meinung nach sollte ein Lehrer, der sein Fach bzw. seine Fächer beherrscht, keine Angst vor einer Machtverschiebung haben. Sollte nicht sowieso alles, was er weitergibt, überprüfbar sein?
Kritischer sehe ich die Nutzung von Smartphones & Co. im Unterricht. Die Grenze zwischen schulischer und privater Nutzung müsste wohl technisch gezogen werden. Andererseits kann sich nicht jede Familie solche Geräte leisten – wer stellt sie dann für den Unterricht und für zuhause zur Verfügung und in welcher Form?
Es sind ja immerhin auch noch Statussymbole, wie kann man hier gleiche Voraussetzungen für alle schaffen und Ausgrenzung vermeiden?
(Für alle weiteren Gedankengänge und Ausführungen ist es noch zu früh am Morgen. *g*)
Genau solche Fragen stellen sich leider zuhauf. Und ich wäre dankbar, wenn jemand schlüssige Antworten geben könnte.
Ich fürchte, auf diese Fragen gibt es keine schlüssigen Antworten – weil sie noch niemand bis zum Ende gedacht hat. Hier treffen einfach zwei komplett unterschiedliche Systeme – das Schul- bzw. Unterrichtssystem und die „neuen Medien“ – aufeinander. Eine grundlegende Reform und Neustrukturierung täte not. Womit wir wieder bei einem meiner Lieblingsthemen sind: Ist es noch zeitgemäß, dass Schule Ländersache ist? Wenn es 16 unterschiedliche Regelungen gibt – wo führt das hin?
Man reiche mir Wein für die angeregte Diskussion darüber! :-)
Gerne doch! Und Prosit auch! … Aber ob darüber überhaupt noch jemand diskutieren will? Das ist doch sowieso nur noch albernes Kompetenzgerangel zwischen Länderfürsten. Gibt es tatsächlich Menschen, die das anders sehen?
Nunja, diejenigen, die in den entsprechenden Ministerien ihre Existenzberechtigung rechtfertigen …
Sie dürfen aber auch gerne ein anderes Diskussionsthema einbringen. ;-)
Nun, dass sich bislang hier noch kein Ministeriumsmitarbeiter argumentierend zu Wort gemeldet hat, halte ich für einen Beweis dafür, dass der BND längst nicht so effizient agiert wie angeblich die NSA.
Vielleicht aber ist es ihnen ja auch schlichtweg egal, was wortmischende Wähler denken?
Bin heute zufällig auf so einen dicken Wälzer gestoßen, von einem Edwin Hübner mit dem Titel „Medien und Pädagogik“. Spiele mit dem Gedanken, mir den in den Weihnachtsferien reinzuziehen.
Da muss aber jemand in der eigenen Schulerfahrung sehr viel Schlimmes mitgemacht haben, um jetzt so vom Leder zu ziehen.
Na ja, ich bin da ja sehr tolerant. Das Recht, Mutmaßungen über Gründe anzustellen, steht jedem zu. Solche Mutmaßungen auszusprechen, ist bestimmt auch nicht verboten. – Aber Sie haben natürlich recht: Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand negativ denkt, ist höher, wenn das Thema bei ihm negativ besetzt ist.
Allerdings stelle ich fest, dass meine Wahrnehmung der Realtität beim Thema Einsatz von Smartphones eben eine vollkommen andere ist. Ich glaube übrigens auch, dass wir von unseren Kindern zu viel verlangen, wenn wir erwarten, dass sie freiwillig den Umfang ihres Smartphone-Konsums auf ein wirklichkeitskompatibles Maß beschränken. Dazu sind die Möglichkeiten der Geräte zu verführerisch.
Ich möchte die Absicht hinter meinem zitierten Tweet in diesem Zusammenhang klarstellen:
Handyverbot an Schulen ist mir total egal. Ich finde, das soll die Schule einfach selbst entscheiden und dann eine entsprechende Hausordnung verfassen und umsetzen.
Was mir so aufstößt ist, dass die Schule mich ständig über private Handynutzung belehren möchte. Das finde ich zum einen unnötig und zum anderen unangebracht. An Mademoiselles Schule zum Beispiel dürfen Handys nicht sichtbar und hörbar sein. Sind sie es doch, werden sie eingezogen und am Ende des Schulages zurückgegeben. Damit, sollte man meinen, ist ja eigentlich der gesamte Bereich Schule abgedeckt. Trotzdem bekomme ich eine Einladung zu einem Elternabend zum „Umgang mit Medien“, angekündigt mit einem Informationsteil und dann einer Besprechung im Klassenraum, bei der „weitergehende Beschlüsse im Klassenverband“ gefasst werden können. Da werde ich, glaube ich, zu Recht bockig ;-)
Und wenn dann Mademoiselle noch mit solchen Aussagen wie oben nach Hause kommt, bei denen ja irgendwie die Schulordnung ausgehebelt und Handynutzung in einen Zusammenhang mit Wohlverhalten gebracht wird, da finde ich es dann echt schwierig. Und möchte mich von derartigen „Experten“ wirklich lieber nicht belehren lassen. Fairerweise muss ich sagen, dass mir sowieso jegliches Problembewusstsein fehlt, ich finde Medien ja ganz normal.
Ärgern Sie sich nicht, Frau N. Sie müssen da noch zirka fünf Jahre durch! – Ich meine durch das Spalier der Elterngutmenschen, die man an jeder Schule mindestens bis zur zehnten Klasse antrifft. (Danach haben sie meistens so viele Probleme mit ihren Kindern, dass sie kaum mehr Zeit für Curling auf Elternabenden haben.)
Wenn Sie Spaß haben wollen, setzen Sie doch irgendeiner begeisterungsfähigen Mutter den Floh ins Ohr, den pädagogischen Ansatz hinter der Handy-für-Emsige-Regel auf dem Elternabend zu klären, auf den Sie selbstverständlich nicht gehen werden.