Herr Albert hatte sich gerade auf dem Toilettensitz niedergelassen und die Magazinbeilage der Süddeutschen Zeitung aufgeschlagen, als das Licht ausging. Mit einem britzelnden Geräusch hauchte die Glühbirne in der Deckenlampe ihr Leben aus, und Herr Albert saß im Finsteren.
Leider führte ein Blick in den Schuhkarton, in dem Herr Albert Ersatzbirnen aufbewahrte, zu der Erkenntnis, dass alle Reserven aufgebraucht waren. Also machte sich Herr Albert nach Feierabend am nächsten Tag auf, den örtlichen Baumarkt zu besuchen, um Leuchtmittel-Nachschub zu besorgen. Am Regal mit den Glühbirnen verbrachte er schließlich fast eine ganze Stunde, in der er unter heftigem Kopfkratzen und Schulterzucken abwechselnd die Preisschilder an den unterschiedlichen Lampenarten in Augenschein nahm und die Testlampen über dem Regal betrachtete. – 9,95 Euro für eine einzige 20-Watt-Energiesparbirne, die angeblich so hell leuchten sollte wie ein herkömmliche 92-Watt-Glühbirne, wenn es eine solche jemals gegeben hätte? War das nicht Wucher?
Erst als eine Lautsprecherdurchsage ankündigte, der Baumarkt werde in zehn Minuten schließen, raffte sich Herr Albert zu einer Entscheidung auf. Den Ausschlag hatte ein Aufdruck auf dem Verpackungskarton der teuren Energiesparlampe gegeben: 12 Jahre oder 12.000 Stunden Garantie! Nicht ohne Mühe aber fehlerfrei hatte Herr Albert ausgerechnet, dass er mit dieser Lampe langfristig Geld einsparen würde. Wenn ihn seine Erinnerung nicht trog, hatte eine der alten 100-Watt-Birnen zuletzt zwar nur knapp einen Euro gekostet, war aber zuverlässig nach einem Jahr durchgebrannt. (Mit der Nachbarsbirne, kalauerte Herr Albert in Gedanken, denn er hatte schließlich Humor.)
Bei einer Leuchtdauer von 2 Stunden täglich hatte die Altbirne in ihrem kurzen Lebensjahr Strom im Wert von 17 Euro verbraucht. Die neue 20-Watt-Sparlampe würde in einem Jahr nur ein Fünftel der Verbrauchskosten verursachen. Auf 12 Jahre gerechnet würde Herr Albert also pro Lichtquelle ungefähr 160 Euro einsparen. – Diese Rechnung hatte ihn überzeugt, er kaufte als letzter Kunde des Marktes an diesem Abend Energiesparlampen im Wert von 243 Euro und 80 Cent.
Nachdem er mit sich und der Welt zufrieden die neue Turbobirne in das Gewinde der Badezimmerdeckenlampe geschraubt, versonnen ihre Leuchtkraft bewundert hatte und die leere Schachtel zusammen mit dem Kaufbeleg in den Papiermüll entsorgen wollte, erkannte Herr Albert im allerletzten Moment, dass er um ein Haar einen unverzeihlichen Fehler begangen hätte. Denn seine Rechnung würde ja nur dann aufgehen, wenn die Birne tatsächlich zwölf Jahre aushielt. Was aber würde passieren, wenn die eine oder andere seiner Sparbirnen vorzeitig schlapp machte? Zwar stand das Garantieversprechen auf die Schachteln gedruckt, aber wer würde sich in neun, zehn oder elf Jahren noch daran erinnern?
Als Mann der Tat fasste Herr Albert einen mutigen Beschluss. Er nahm einen Faserstift zur Hand, drehte die neue Lampe noch einmal aus der Fassung und beschriftete den Sockel mit seiner gestochen scharfen Handschrift: “000001E27”.
Die gleiche Zeichenfolge übertrug er auf die Pappe der leeren Schachtel, faltete diese zusammen und legte sie in einen der leeren Schuhkartons, die er stets zur Hand hatte für Notfälle wie diesen. Auf die Baumarktquittung schrieb Herr Albert den Code “R000001”, nummerierte die einzelnen Rechnungspositionen von oben nach unten mit “001” bis “025” durch und legte den Beleg zur Schachtel in den Karton. Danach schaltete er seinen Computer ein und legte im Tabellenkalkulationsprogramm ein siebenspaltiges Blatt an: Lampennummer, Kaufdatum, Belegnummer, Belegposition, Datum Inbetriebnahme, Ort Inbetriebnahme, Sterbedatum tippte er in die Kopfzeile. In der ersten Zeile darunter trug er den Datensatz seiner ersten Energiesparlampe ein. Die letzte Spalte mit dem Todesdatum der Lampe ließ er frei.
Als er sein Werk auf dem Bildschirm betrachtete, fühlte Herr Albert, wie Vorfreude sein Inneres warm erglühen ließ. Sollte es im Badezimmer während der Lektüre seiner Zeitungsbeilage irgendwann vor dem September 2024 noch einmal finster werden, dann würde er bei der Firma Philips rigoros Ersatz einklagen. Die sollten sich nur in Acht vor ihm nehmen!
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In der gleichen Nacht träumte Herr Albert von einer Archivierungs-Äpp für das iPhone, mit der er seine Leuchtmittelkäufe künftig automatisiert und revisionssicher dokumentieren und administrieren würde können. Ach, welch schöne neue Welt.