Kopisten

Kopistin Rebecca aus dem Tatort

In der bloggenden Nachbarschaft geht Jules vom Teestübchen Thrithemius gerade ein Projekt an, in dessen Rahmen die Teilnehmer ein Kapitel aus dem Philobiblon, einem „Buch von der Bücherliebe“ des Bischofs von Durham aus dem 14. Jahrhundert, handschriftlich abschreiben, also kopieren sollen. Ganz so, wie das damals eben war: Gedanken konnten nur durch fleißiges Kopieren festgehalten und dauerhaft verbreitet werden. – Skriptorien also statt Druckereien. Erst das vielfach per Hand kopierte Wort erlangte Gültigkeit.

In der vergangenen Woche habe ich mir einen verstörenden Krimi aus der Tatortreihe angesehen, in der ein junges Mädchen über Jahre hinweg die ihr auferlegten Regeln ihres Entführers, Peinigers und „Erziehers“ immer und immer wieder abschreiben musste. Ihre Bemühungen galten nur dann als gelungen, wenn sie so nah wie möglich an das Original heran reichten. (Oben auf dem Szenenfoto entdeckt Rebecca gerade, dass ihr „Erzieher“ ein Schwindler war: Die Originalregeln hatte er nämlich nicht etwa in vermeintlich perfekter Handschrift verfasst, sondern am PC ausgedruckt. Rebeccas beste Handschriften hingegen waren frappierende Kopien der Computerdruckschrift Arial 12pt.)

In Jules‘ Projekt ist keine makellose Eins-zu-eins-Kopie der Originalschrift verlangt, Gott sei Dank. Vielmehr sollen alle Kopisten so schreiben, wie ihnen der Griffel zwischen den Fingern hervorlugt.

Trithemius, Philobiblon Wortmischer

Das Ergebnis werde ich natürlich nachträglich hier verlinken. Bis dahin lege ich „es in die Seite der Lade des Bundes des Herrn“ und rätsle noch ein bisschen über eines der Worte, nämlich das erste der Zeile vier, das da lautet: „Sethimholze“.
Auch nach einigem Gegoogle finde ich nicht mehr heraus, als dass der Begriff möglicherweise aus der Bibel stammt und eventuell auch im Zusammenhang mit dem Bau der Arche stand. Na ja, vielleicht lässt sich das noch durch kompetentere Historiker aufklären, als ich einer bin.

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Mientras tanto: Wo wir hier schon beim Sinn des Kopierens, beim Verbreiten von Gültigkeit, beim Unterstützen von Aussagen und Formulierungen sind, möchte ich mich unbedingt denjenigen im Netz und in Bloghausen anschließen, die derzeit ein arg gerügtes Gedicht von Eugen Gomringer gegen dreiste Sprachpolizisten verteidigen. Ganz im Sinne und Auftreten eines Kopisten. – Hier! Nehmt dies, Ihr gleichgeschalteten, dumpfen Neusprech-Terroristen:

Avenidas y Flores (Eugen Gomringer)

Und all Ihr anderen: Nehmt das Gedicht mit und verbreitet es auf so vielen virtuellen Wänden wie möglich!

5 Kommentare

    1. Ich werd verrückt! – Weiß das Internetz also doch etwas über abartig alte Holzarten. Herzlichen Dank in die Amtsstube!

  1. Ich wusste doch, dass auf Kollegen Nömix Verlass ist. Danke für den Hinweis auf unser Schreibprojekt und deine Gedanken dazu. Den verstörenden Tatort habe ich nicht gesehen, will sagen, zum Glück. Inzwischen habe ich auch deine Kopie. Vielen Dank! Gesamtergebnis morgen.

    1. Dann ist ja alles gut. Ich bin ehrlich gesagt auch schon sehr gespannt auf die Handschriften-Kollektion!

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