Lieblinks (12)

Puh! – Mein linkstrotzendes Mitschreibeprojekt Kleider-machen-Leute beansprucht meine internette Aufmerksamkeit gerade nicht schlecht. Dort findet Ihr übrigens schon jetzt mengenweise tolle Geschichten zum Thema Kleidung. Echt jetzt!
Aber trotzdem hab ich wieder drei bescheidene Verweise auf außergewöhnliche, anderörtliche Schreibereien in petto, die Ihr Euch auf gar keinen Fall entgehen lassen sollten. Wenn Du also von da oben zurückkommst, surfe unbedingt da unten weiter! (Es lohnt sich.)

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Sprechen wir über Supermärkte. Genauer gesagt über Supermarktregale, oder noch genauer: über die Ordnung in Supermarktregalen. Frau Nessys Blick streicht unbestechlich durch die Gänge ihres Marktes und deckt Schwachstellen im Synapsennetz der Regaleinräumer auf: Hefe ist das unverstandendste Produkt im Supermarkt.

Ich bin ja ein reinrassiges Großstadtgewächs und als solches vertraut mit ganz vielen verschiedenen U-Bahn-Systemen weltweit. Ich behaupte deshalb mit einigem Fug und Recht: U-Bahnhofarchitektur gehört zu den gruseligsten Bausünden, die je begangen wurden. Man muss wohl annehmen, dass U-Bahnarchitekten zu den schlechtesten (und wahrscheinlich billigsten) Absolventen ihres Studienfaches gehören. Ausnahmen bestätigen die Regel, zum Beispiel in Moskau und St. Petersburg.

Und bevor die Erinnerung an Weihnachten völlig verblasst und das Fest der Feste im Weichspüler der Wunschgedanken in pastellige Instagram-Filtertöne getaucht wird, lies unbedingt noch den ungeheuren, lamettastrotzenden Text der Matrosenpulloverträgerin.

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Meine Lieblinks (11)

Fuchspelz in der S-Bahn

In einer süddeutschen Großstadt besteigt Herr W. einen S-Bahn-Waggon. Es ist später Nachmittag, Herr W. ist sehr guter Dinge und auf dem Weg zu einer Neujahrseinladung. Eine seit Jahrzehnten Verflossene hat ihn zum Abendessen in ihrem Familienkreis eingeladen: Mann, Sohn, sie und Herr W. Das konnte nur entweder interessant oder ein kommunikatives Debakel werden. Mal sehen. Er liebte ja geradezu solche schwierigen Gratwanderungen.
Der S-Bahn-Wagen ist ziemlich gut besetzt, viele Menschen stehen in den Gängen. Nur in einer Vierersitzgruppe sind noch zwei Plätze frei; gegenüber einem Paar, das sich unterhält. Sie in den Vierzigern, das blonde Haar wetterfeucht, ein bisschen schütter, schwarzer Mantel mit Fuchspelzkragen, neben sich einen abgenutzten Rollkoffer; er Afrikaner, noch keine dreißig, Parka, Jeans, Sneakers und Rucksack.
Herr W. setzt sich auf den Platz gegenüber der Dame. Dieser Fuchspelzkragenmantel ist eines der seit langer Zeit aus der Mode gekommenen Modelle, bei denen sich die Schnauze des Tieres, um den Hals der Trägerin gelegt, vorne über ihrer Brust in seinen eigenen Schwanz verbeißt. Der Pelz ist stumpf, struppig, schon ziemlich abgenutzt. Vielleicht ererbt von der Großmutter?, denkt er.

Das Gespräch des Paares verläuft stockend. Schnell wird Herrn W. klar, dass sich die beiden gar nicht kennen. Sie versucht es rudimentär auf englisch: „Wherrre you frrrom?“
„Senegal“, antwortet er.
„Ah, parlez-vous français?“, schwenkt sie um, etwas textsicherer als im Englischen.
„No, español?“, gibt er sehr knapp, irgendwie genervt zurück.
„Komisch, sprechen die da nicht französisch, im Senegal?“ Auf einmal und völlig überraschend wendet sich die Dame an Herrn W. Ihr Blick bohrt sich in seine Augen. „Wo liegt eigentlich der Senegal, wissen Sie das?“

Herr W. schreckt auf. Spricht die Frau mit ihm? Scheinbar doch wohl ja. – „Senegal? Ich glaub in Westafrika, oder nicht?“, beantwortet er die Frage. Er ist sich nicht sicher, gräbt in den bröckeligen Erinnerungen aus seinem Erdkundeunterricht.
„Sprechen die denn dort nicht französisch? Was meinen Sie?“ Die Pelzkrägin bohrt nochmals nach.
„Ich weiß es nicht.“ Herr W. will sich nicht festlegen, hat ein komisches Gefühl, obwohl er eigentlich dazu neigt, der Frau zuzustimmen. Aber irgendetwas stimmt hier nicht. Alle Mitreisenden sehen betont in andere Richtungen, obwohl die Stimme der Frau laut und deutlich ist, den Raum dominiert. Sonst unterhält sich niemand.
Der Afrikaner scheint sich auf einmal nicht mehr einbezogen zu fühlen, gräbt irgendwie erleichtert in seinem Rucksack und zieht ein Paperback heraus. Houellebecq – Soumission, steht auf dem Einband. Französisch!
Simulant, denkt Herr W., und erkennt mit einem Schlag, was los ist und dass gerade in diesem Moment der Afrikaner die Opferrolle dankbar an ihn, den Herrn W., abgegeben hat!

Aber da hat sich die Füchsin schon mit sicherem Instinkt in Herrn W. verbissen. „Wissen Sie, es ist ja eines der furchtbaren Zeichen unserer Zeit, dass die Menschen nicht mehr offen für neue Begegnungen sind. Aber Sie sind ganz anders, das spüre ich. Ihnen kann ich mich offenbaren. Ganz sicher!“
„Ach ja?“ Herr W. ist jetzt ein wenig verzweifelt. Noch fünf Stationen in der Bahn, fast zwanzig Minuten. Wie soll er diese Fahrt mental unbeschadet überstehen? Kurz spielt er mit dem verführerischen Gedanken, einfach zu fliehen, beim nächsten Halt auszusteigen und schnell am Bahnsteig entlang zu laufen, um ein paar Türen weiter hinten wieder in den gleichen Zug einzusteigen, um dieser ihm völlig fremden Grenzüberschreiterin zu entgehen. Aber ein solches Manöver ist unter seiner Würde, findet er und verwirft die Idee.
Der Afrikaner wirft ihm, aus seiner Lektüre auftauchend, einen kurzen, prüfenden Blick zu. Herr W. ist sich sicher, dass der Kerl deutsch versteht. Und es auch spricht. Dieser Pharisäer.
In diesem Moment beschließt Herr W., den Spieß umzudrehen.

„Gnädige Frau, ich bin so froh, Sie hier angetroffen zu haben“, sprudelt er hervor. „Tatsächlich wagt heutzutage kaum einer, die Anonymität einer Bahnfahrt aufzubrechen und eine tiefere Unterhaltung mit einem Fremden zu führen.“
Die Dame blickt ihn einen winzigen Moment lang verunsichert an, damit hat sie nicht gerechnet, und Herr W. nutzt die Gelegenheit, fährt fort. „Hören Sie, Sie sind doch fremd hier. Mit diesem Koffer da, meine ich. Woher kommen Sie denn? Aus dem Senegal doch wahrscheinlich nicht, haha, verzeihen Sie den kleinen Scherz.“
„Wieso fragen Sie?“ Jetzt ist sie es, die in die Defensive gerät.
„Na ja, wenn Sie nicht wissen, wohin heute Abend, das ist doch keine Schande!“ Herr W. trumpft jetzt auf. Er bemerkt, dass nun alle Passagiere in Hörweite ihre Aufmerksamkeit seiner Konversation mit Frau Fuchspelz zuwenden. „Wissen Sie, ich bin gerade auf dem Weg zu einer recht beschaulichen privaten Einladung. Nichts besonderes, wirklich nicht. Aber wenn Sie trotzdem mitkommen möchten? Ich würde mich ehrlich freuen. Und alles andere … das wird sich dann sicher auch noch weisen.“

Die Dame starrt Herrn W. jetzt mit unverhohlenem Alarm im Blick an.
„Bitte halten Sie mich nicht für unverfroren, gnädige Frau“, setzt er bescheiden hinzu. „Aber es passiert doch zu selten, dass sich zwei Seelenverwandte mitten auf offener See begegenen, wenn Sie mir dieses Bild gestatten wollen. Geben Sie sich doch einen Ruck und uns beiden eine Chance. Ich meine: Was alles aus uns zweien werden könnte? Das wissen Sie nicht, und ich auch nicht!“

„Aber …“ Jetzt macht die Fuchspelzin komplett zu. Der Afrikaner grinst breit, so wie auch einige der aufmerksamen Mitfahrer in der Bahn.

„Ach, kommen Sie“, setzt Herr W. zum Fangschuss an und geht ein letztes kleines Risiko ein: „Ich steige die nächste Haltestelle aus, und Sie kommen einfach mal mit. Wir beide sind für einander bestimmt, das fühle ich ganz tief in mir drin!“

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Als Herr W. aus der Bahn steigt – alleine, denn die Fuchspelz tragende Dame ist wortlos in ihrem Sitz zusammengesunken -, schallt ihm Gelächter der Passagiere hinterher. Durch das Wagenfenster winkte er von draußen der Dame nochmals zu. Sie jedoch starrt zu Boden, beachtet ihn nicht. Aber der Afrikaner winkt Herrn W. mit strahlendem Blick zum Abschied, als die S-Bahn Fahrt zur nächsten Station aufnimmt.

Ich weiß, manchmal kann ich echt ein mieses kleines Schwein sein.

Not So Wunderbra

Wer sich vor 22 Jahren in London aufhielt, konnte dort ein bis zwei Blicke auf eine überlebensgroße Darstellung des tschechischen Supermodels Eva Herzigová in stark reduzierter Bekleidung werfen und je nach Stimmungslage ihren Gruß erwidern: Hello Eva, you’re looking wunderbra!

Hello Boys.

Die Anzeige wurde 1994 vom Label Sara Lee veröffentlicht und soll angeblich zu mehreren spektakulären Auffahrunfällen geführt haben. Ob Letzteres stimmt, habe ich nicht recherchiert. Tatsache ist aber, dass die Kampagne ein derartiges Aufsehen erregte, dass sogar im fernen Spanien eine – ich erinnere mich: ziemlich kritische – Glosse in der Wochenendbeilage der Tageszeitung El País veröffentlicht wurde.

Heutige Großstadtstreuner werden ganz sicher die Köpfe schütteln. Solche Plakate hängen doch längst an allen öffentlichen Werbetafeln, sogar in den versauerländischsten aller Kleinkäffer, und bewerben Billigangebote von C&A oder H&M. Damals™ war das aber noch nicht gang und gäbe; selbst wenn das Patent auf den Wonderbra aus dem Jahr 1941 (!) stammt und die Umsätze allein in Großbritannien schon vor diesem spektakulären Werbefeldzug fast bei dreißig Millionen US-Dollar pro Jahr lagen und jeder achte verkaufte BH ein Wonderbra war.

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Auch ich verstand allerdings die Aufregung damals nicht. Zum Teil lag das sicher daran, dass zaundürre, fleischlose Hühnchen wie diese Herzigová in meiner Fantasie- oder Traumwelt bis heute noch allenfalls als abschreckende Beispiele auftauchen. Zum anderen wurde ich (in erotischer Hinsicht) in einer völlig anderen Atmosphäre sozialisiert:

Ich erinnere mich noch ziemlich gut an eine Nachrichtensendung, so etwa 1970 im damaligen Schwarzweißfernsehen, in der Standbilder von Frauen zu sehen waren, die öffentlich ihre Büstenhalter verbrannten. Feministische Revolte! Yeah!
Als etwa zehnjähriger Pimpf fand ich das komplett super und war davon so schwer beeindruckt, dass ich meine Mama sofort unverblümt fragte, ob sie nicht vielleicht auch ihren BH anzünden wollte. Ich würde ihr gerne dabei assistieren! Und das könnten wir doch praktischer Weise gleich auf dem Balkon machen.
Auf dem Balkon wurden bei uns schließlich alle schmutzenden und übel riechenden Angelegenheiten erledigt: Schuheputzen, Abschießen von Silvesterraketen, Rauchen, exzessives Furzen … Aber ich schweife ab.

Auch wenn meine Mutter damals mein selbstloses, wenn auch hoch engagiertes Angebot – womöglich gar mit rosig angehauchtem Gesicht? – ablehnte, so waren BHs, Bühas, Bras, Over-the-shoulder-bolder-holders in meiner Jugend so ziemlich das allerletzte, worin die Mädchen meines Alters in den nachfolgenden zehn Jahren ihre Tüten verpacken wollten.
Die Mädels ließen frei schwingen! – Dieser Umstand führte wohl ab und an zu Verklemmungen, etwa bei unserem Religionslehrer. (Das erwähnte ich bereits.) Aber ich erinnere mich an maximal zwei Mitschülerinnen in der Oberstufe, die von ihren Müttern zum Tragen von BHs genötigt wurden und die diesen elterlichen Vorgaben auch folgten. Tatsächlich gab es Mädchen, die morgens an der Straßenbahnhaltestelle ihre Brustgeschirre verschämt im Schutze des Kreises ihrer Freundinnen aus den Jackenärmeln fädelten und in ihren Schultaschen verschwinden ließen, bevor sie sich damit an der Schule hätten blicken lassen.

Verständlich, wie ich finde. Denn weder Jungs noch Mädchen hätten damals angenommen, dass auch nur eine einzige unserer weiblichen Idole beziehungsweise Traumfrauen je einen Büstenhalter getragen hätte. Stellen Sie sich mal Joan Baez, Janis Joplin, Grace Slick oder etwas später Stevie Nicks mit BH vor. Nein, niemals, im Leben doch nicht!

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O tempora, o mores! – Siehe Cicero oder meinetwegen Asterix. Ich weiß gar nicht, wie das heutzutage gehandhabt wird mit dem Wippen an den weiblichen Rippen. (Schon gut, Herr Fendrich, ich zitier‘ Sie und Ihr „Oben ohne“ ja auch hiermit brav.)
Ich habe zwei Töchter: Eine, die ältere, eher in der Gewichtsklasse von Claudia Cardinale; die jüngere mehr so der Herzigová-Typ. Soweit ich das beurteilen kann, besitzen beide keine Bruststützen, also auch keine push-up Wonderbras. In der Wäsche finden sich jedenfalls keine, wenn man mal sommers von Bikinioberteilen absieht.

Ich bedanke mich natürlich für alle sachdienlichen Hinweise kundiger Dritter zum gesellschaftlichen Status Quo erhebender Notwendigkeiten.

[lightgrey_box]Das ist ein Beitrag zum Buchstaben W wie Wonderbra meines eigenen Schreibprojektes für jedermann: Kleider machen Leute – von A bis Z[/lightgrey_box]

Kleider machen Leute – von A bis Z

Kleider machen Leute

Nur allzu gerne erinnere ich mich an Frau Lehners alphabetisches Schreibprojekt zum Thema Obstsalat aus dem Jahr 2014. Dabei kamen einige ganz tolle Texte heraus. Und weil mir das damals so viel Spaß gemacht hat, lege ich heut einmal selbst ein Eisen ins Feuer und rufe auf zur Teilnahme am alphabetischen Textprojekt zum Stichwort „Kleidung“.

Alle Mitmachbeiträge, der jüngste ist vom 23. Februar 2016:

  1. Hervorgekramt: ein Paar Ärmelhalter von Trithemius
    Ich hatte mal ein Abendkleid von Frau Lakritze
    Arbeitshose von Frau Karu
  2. Die Badelatschen von Trithemius
    Gestern sah ich Erstaunliches (BH-Trick) von Herrn Nömix
    These Boots von Katiza
    Die Bundfaltenhose von Frau Lakritze
    Betty Brogues von Nora
  3. Cordhosen müssen geschont werden von Heinrich
    Nicht so super (zum Buchstaben C) von Frau Lakritze
  4. Harald B. oder wie ich zum Dirndl kam von der Testsiegerin
    Così fan tutte oder: D wie Dirndl vom Vibesbild
    I have a dream vom Herrn Smamap
    Drunter & drüber von Frau Lakritze
  5. Wo bleibt das Etui, wenn Frau das Kleid anzieht von Heinrich
    Das Eigenkleid von Frau Lakritze
    Schwarzgelocktes Erbstück von Frau Karu
  6. F wie Firmkleid von Rosenherz
    Ohne Fahrradhelm gestürzt von Trithemius
    Wenns dem Esel zu wohl wird (F wie Federboa) von Frau Lakritze
  7. G wie Gymnastikpatscherl von der Testsiegerin
    Mimesis (G wie Gehrock) von Beat
    Der Garderobenbügel von Frau Lakritze
  8. Keine Hose – kein Gott von Trithemius
    Halterlose oder Stay ups von Lunarterminiert
    Geben Sie dem Mann ein Haarnetz von Trithemius
    Erinnerungsfäden: Mein heiliges Hemd von Frau Lakritze
  9. Im Indianerkleid von Frau Frogg
    Innentaschen von Frau Lakritze
  10. Frau Lochmanns Jacke von Trithemius
    Für immer dreiunddreißig – über Jogginghosen, Sportsocken und Fußballerfrisuren von Stancer
    King of Rock’n’Roll (Jumpsuit) von Frau Lakritze
  11. Kopffreiheit vom Herrn Ösi
    *** Kleid, das *** von Frau Spätlese
    Kummerbund von Dorothea
    Tante Jetta in der Kombinesch von Nömix
    Klothhosen von Nömix
    Probleme mit dem Kleiderschrank von Heinrich
    Röcke machen Schotten (Kilt) von Frau Lakritze
  12. Meine weiße Latzhose von La-Mamma
    Lang lebe die Lederjacke von Frau Lakritze
  13. *** Mütze *** von Frau Spätlese
    Von welchen, die auszogen den Winter zu suchen (Mützen und Schals) von Edith
    Der Mantel von Lunarterminiert
    Drückt den Speck, wohin er gehört: Die Miederhose von Frau Jaelle Katz
    Vermessen von Frau Lakritze
  14. Kleidermacher, Schneider und Nähknechte von Heinrich
    Mutmaßungen über einen Mann im Norwegerpullover von Trithemius
    Böser Nicki von Frau Lakritze
  15. Ohrenschützer von Rosenherz
    Olles Gelump von Frau Lakritze
  16. Pullover vom Mechatroniker
    Rote Pumps von Trithemius
    Warum das Zebra Pyjamas trägt von Ruth
    Gut gepusht von Frau Karu
    Pantoffeln von Frau Lakritze
  17. Der Quastenschal von Heinrich
    Zur späteren Verwendung (Quilt) von Frau Lakritze
  18. Regenponcho von Dorothea
    Romantisches Rosenkleid von Rosenherz
    Das richtige Wetter von Frau Lakritze
  19. S wie Strumpfhose von der Testsiegerin
    Nasse Socken im Rampenlicht von Trithemius
    Schaufensterpuppen von Heinrich
    Spandex von der Jongleurin
    Schuhe von Frau Novemberregen
    Kurzgeschichte von den Socken von Manfred Voita
    Socken im Bett von Tikerscherk
    Man muss keinen Schlag weghaben, um sie zu tragen: Vom längst erwarteten Comeback der Flared Jeans von Auxkvisit
    Wo ist er hin, wo kam er her: Der Augsburger Seitenscheitel von Auxkvisit
    Strickkleidchen von Frau Karu
    In Seidenstrümpfen von Poppkörnchen
    Schlüpfer von Herrn Solminore
    Fauler Strick (Sock) von Frau Lakritze
  20. Paar Nummer eins (Turnschuhe, Treter) vom Leisetöner
    Mimesis II (T wie Twinset) von Beat
    T-Shirts, bedruckt von Frau Lakritze
    T wie T-Shirt vom Leisetöner
  21. Die Uniform von Frau Jaelle Katz
    Vom Aussterben bedrohte Wörter (Übergangsjacke) von Heinrich
    Unterbrust-Corsage von Adria S. Uno
    Untendrunter sind wir alle nackt von Frau Lakritze
  22. Die Velobüxe von KaterMurr21
    Es singt und lacht (verkleidet) von Frau Lakritze
  23. Not So Wunderbra vom Wortmischer
    Winterjacke von KaterMurr21
    Wegbegleiter, abgelegt von Frau Lakritze
  24. X-beliebig von Nora
    Man weiß nie, wozu’s gut ist (X-Bein-Einlagen) von Frau Lakritze
  25. Tante Ellas Yukata von Mitzi Irsaj
    Happy End I (Yogahosen) von Frau Lakritze
  26. Zebrastreifenkleid von Rosenherz
    Zauberhandschuhe von Frau Karu
    Happy End II (Zylinder) von Frau Lakritze

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Willst Du auch mitmachen? So geht das:

1. – Such Dir einen Buchstaben aus, sechsundzwanzig gibt es von A bis Z. (Na ja: Kannst Dir auch zwei oder drei oder vier Buchstaben aussuchen, wenn Du genug Pulver in der Flinte hast.)

2. – Schreib eine zum Buchstaben passende Geschichte, meinetwegen über Socken; oder eben gerade nicht Socken, weil immer barfuß. Was weiß ich denn. Wem nichts einfällt, der kann auch das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern abtippen und hoffen, dass es niemand merkt. Oder mach ein #609060-Foto und erzähl was dazu. Oder dichte ein paar Zeilen, oder gleich einen ganzen Lyrikband. – Ich bin sehr gespannt!

3. – Verlinke Deinen Beitrag in den Kommentaren zu diesem Appell, als Textkommentar mit Link oder schlicht als Pingback, ganz wie Du willst. Ich sammle alle gemeldeten Beiträge zum Nachlesen in einer übersichtlichen Liste.

4. – Ach ja, bitte erzähle es weiter, spread the word, damit möglichst viele Berichte, Geschichten, Gedichte, oder Fotostorys zusammenkommen. Wenn Du willst, bediene Dich auch gerne bei den Bannergrafiken, die es in verschiedenen Größen gibt (siehe ganz unten).

Einen Abschlusstermin für die Aktion will ich jetzt nicht festlegen. Wenn es mir in ein paar Monaten zu viel wird, mach ich einfach die Kommentare dicht und gut is‘. (Nicht böse sein, in diesem Falle. Das nächste Schreibprojekt lauert bestimmt schon um die Ecke!)

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612 x 165

500 x 135

400 x 105

300 x 80

Herr Albert optimiert

Schnee an der Waldlust

Der Kollege hinter dem Schreibtisch gegenüber sagt, Vorsätze für das neue Jahr sind das Eingeständnis des eigenen Versagens. Der Kollege ist so ein Selbstoptimierer. Trägt ein Fitness-Armband, das ihm elektronische Geheimnachrichten schickt; ihm zuflüstert, wie schlecht er geschlafen hat; wie viele Schritte er noch machen muss, bevor er wieder ins Bett darf; wie gut sein Sex war und wie hoch dabei sein Blutdruck.
Wer Vorsätze braucht, sagt der Kollege, der hat sich nicht an die persönlichen Geheimnachrichten gehalten. Hat versagt. Da helfen dann eben auch keine noch so guten Vorsätze mehr. Dann steht er auf, der Kollege, und geht ins Treppenhaus. Stiegen steigen. Das hat ihm gerade sein Armband aufgetragen. Und was das Armband sagt, das muss man tun.

Na ja, denkt sich Herr Albert, das wäre nichts für ihn. Geradezu unheimlich wäre ihm so ein Zuflüsterer. Außerdem würde ihm das Armband ja ohnehin nur sagen, dass er zu Silvester wieder viel zu viel getrunken hat. Gruselig stellt er sich das vor: Er wacht am 1. Januar gegen elf auf, und auf seinem smarten Phone warten schon sechs Nachrichten auf ihn, alle von diesem Fitness-Diktator.

8.00 Uhr: Was ist los? Aufstehen!
8.15 Uhr: Hallo! Puls 50? Schläft der A. noch immer?
8.30 Uhr: Das ist doch der Hammer. Was soll denn aus diesem Tag noch werden? Wie soll denn der A. heute die 10.000 Schritte schaffen, wenn er noch immer pennt?
9.00 Uhr: Ich geb es auf. Schon eine Stunde Verzug. Schon wieder so ein Tag, der nur dazu da ist, das Leben des A. zu verkürzen.
10.00 Uhr: Mannomannomann …
10.53 Uhr: Hallo, Du musst pinkeln! Steh jetzt endlich auf!

Dann schleppt er sich ins Bad, der Herr Albert, weil er nämlich wirklich pinkeln muss. Er blickt auf sein Handgelenk und lächelt glückselig, weil er dort seine alte Armbanduhr entdeckt, die er jeden Tag noch mit der Hand aufziehen muss, damit sie nicht stehen bleibt. Uhr statt Fitness-Diktator. Gott sei Dank.
Und weil da kein elektronisches Armband ist, das ihm vorhält, er hätte versagt, weil er sich etwas für das kommende Jahr vornehmen muss, geht er in die Küche, sieht einer Aspirintablette dabei zu, wie sie sich sprudelnd und auf und nieder tanzend in einem Wasserglas auflöst, und legt sich dabei ein paar Dinge für 2016 zurecht.

1. – Kein Schnaps mehr zum Bier. Das war nämlich das letzte Aspirin in der Schachtel.

2. – Unter der Woche vor Mitternacht ins Bett. Aber daraus wird sowieso wieder nichts, weil das nimmt er sich schon seit Jahrzehnten erfolglos vor.

3. – Endlich das mit der Frau Kerstin klären. Denn es geht ja nicht, dass sie dauernd umeinander herumschleichen und sich beschnüffeln wie zwei Straßenköter, aber dann doch nicht den nächste Schritt machen, weil sie beide ganz genau wissen, dass das nichts werden kann mit ihnen. Das muss aufhören. So oder so.

Aspirin, Zahnbürste, Schal und Schuhe, und schon ist er draußen, der Herr Albert und sieht dem nassen, schweren Schnee dabei zu, wie er die Äste der kahlen Bäume in den Schwitzkasten nimmt und niederdrückt, bis vielleicht tatsächlich einer knackend bricht.
Dem Herrn Albert ist es egal, wie viele Schritte er gleich machen wird. Das braucht ihm keiner vorzuzählen. Aber Sauna wäre gut, heut Abend.

Bilanz

Also, wie fällt sie aus, die Bilanz zu meinem 2015? – Beruf: Jesus, war das elend viel Arbeit. Unzählige Stunden, für die es keinen müden Euro gab. Dafür aber ein paar Dankeschöns von Herzen.
Liebe: Alles dabei, vom Orkantief bis zum Sommersonnenschein. Aufs dauerhafte atlantische Azorenhoch warte ich noch.
Bloggen: Sehr, sehr viel Spaß gehabt. Hier in der Wortmischerei und anderswo bei Euch zu Cyberhause. Ehrlich, ein selten tolles Jahr.
Gesundheit: Boah, nee, dafür bin ich noch nicht alt genug!

Gesamtnote (wie so oft schon): Sehr gut und gleichzeitig ungenügend.

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Macht Euch eine schöne Zeit & kommt alle gut rüber. Wir lesen uns im nächsten Jahr.

Ganz ruhig

Ich schlug die Augen auf und lauschte in die geradezu ohrenbetäubende Stille hinein, diese unerwartete und völlig untypische Ruhe. Es war Juni, und wir waren campen. In Südfrankreich, in der Nähe von Nizza.
Draußen war helllichter Tag, ich blickte auf die Armbanduhr: kurz nach acht Uhr morgens. Eine Zeit, zu der auf einem Campingplatz im Hochsommer am Mittelmeer gewiss längst nicht mehr eine solche Ruhe herrschen sollte. Die J. lag neben mir, besinnungslos, ihr Arm auf meinem Bauch. Ich musste dringend schiffen und schob den Arm vorsichtig zur Seite. Die Luftmatratze knarzte, als ich mich erhob. Dann trat ich hinaus ins Freie. Zwischen unserem Zelt und dem des Essener Pärchens von gegenüber qualmte noch die Feuerstelle unserer gemeinsamen Vorabendfeierei. Ein paar Schritte vom Lagerfeuer entfernt saßen Asterix und Obelix übernächtigt mit bleichen Gesichtern auf ihren Campingstühlen.
„Bon jour“, grüßte ich, und die beiden hoben wortlos die Hände zum Gruß. Man kannte sich. Zwei Pumpguns lehnten zwischen ihren Knien an den Stühlen. Das restliche Gelände des Campingplatzes war wie leergefegt. Meine Schritte auf dem Kiesweg zu den Waschräumen erzeugten das einzige Geräusch, das in der sonst vollkommenen Ruhe des anbrechenden Tages zu hören war.

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Grotesk? Oder zumindest bizarr, finden Sie? – Wenn Sie wissen wollen, wie es zu dieser merkwürdigen Situation kam, dann lesen Sie bitte weiter.

Gut dreißig Stunden zuvor war noch alles so richtig campingplatzmäßig gewesen, so wie man sich das vorstellt: Kindergeschrei, gröhlende Fußballaficionados, schimpfende Mütter, keifende Großmütter, alles im Diskant durcheinander gemischt. Die einen saßen beim Abendessen vor den Wohnwägen, andere waren noch mit den Vorbereitungen beschäftigt. Der M. und die M. aus Essen, die J. und ich saßen zu viert an einem Tisch in der Bar, betrachteten wohlgefällig das Treiben und ließen ganz entspannt den Pastis in uns hineinlaufen, rauchten Gauloises. Gauloises mit Filter. Weil wir waren ja keine Hardcore-Franzosen sondern deutsche Weicheier auf Urlaub.
Ich flirtete heftig mit der M., und ihr Freund baggerte die J. an. Urlaub eben. Mal was anderes, warum eigentlich nicht? Beschwingt schlenderten wir irgendwann zurück zu den Zelten, wo wir noch einen Absacker trinken wollten und wo sich womöglich die Paarfrage klären würde, also wer in dieser Nacht mit wem in welchem Zelt verschwinden würde.

Auf unserem Rückweg begegneten uns die beiden merkwürdig blassen Franzosen, die wir Asterix und Obelix getauft hatten, weil einer sicher zwei Meter groß und drei Zentner schwer war, der andere untersetzt und bullig, höchstens eins siebzig. Ab Mitternacht patroullierten Asterix und Obelix bis in die frühen Morgenstunden mit geschulterten Schusswaffen über den Campingplatz.
„A cause des Africains“, hatten sie geantwortet, als wir irgendwann fragten. „Wegen der Afrikaner.“ – Ach so. Über die hatten wir schon viel gehört. Gerüchteweise. Angeblich sollten nachts afrikanische Banden die südfranzösischen Campingplätze heimsuchen, Zeltplanen aufschlitzen, die Urlauber mit Gas betäuben und ausrauben. Räuberpistolen eben. Es gab Touristen auf dem Platz, die jemanden kannten, dessen Nachbarn so um Hab und Gut gekommen sein sollten.
Nun ja, wir hatten ja Asterix und Obelix, die über unseren Schlaf wachten.

Die Paarfrage klärte sich an diesem Abend übrigens äußerst unspektakulär. Die M. kippte nämlich kurz vor eins besoffen vom Klappstuhl, und ihr Freund schleppte die Schnapsleich‘ mühsam ins Zelt, während die J. und ich uns kichernd in unsere Kabine zurückzogen.
Nur wenige Stunden später, mitten in der Nacht, erwachte ich von einem trockenen Leberhaken, den mir Muhammad Ali in den unteren Rippenbogen hämmerte. „Uff!“, keuchte ich und richtete mich auf der Matratze auf. Neben mir lag mit weit aufgerissenen Augen die J., die sich den Schlafsack trotz der Hitze bis an den Hals hinaufgezogen hatte.
„Wach auf!“, flüsterte Muhammad J. erregt. „Da draußen hat jemand geschossen! Tu was!“
„So ein Quatsch“, entgegnete ich schlaftrunken. Es herrschte Totenstille, wenn man mal von ein paar Zikaden absah, die noch keine Ruhe gefunden hatten und sich selbst um drei noch immer einen abfiedelten.
„Ich hab ’s genau gehört“, wisperte die J. „Unternimm was!“

Nun war es ja so, dass die J. ein Mädchen war, das keine Ruhe gab, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Also unternahm ich etwas, das ohnehin mit meinen körperlichen Bedürfnissen in Einklang stand: Ich nahm die Taschenlampe und kroch aus unserem Zelt ins Freie, um die Schleusen des Anisschnaps-Stausees in meiner Blase auf der Toilette zu öffnen.
Mit halb geschlossenen Augen schleppte ich mich zu den Waschanlagen, und stellte mich an die Pissrinne des strahlend erleuchteten Herrenpissoirs. – Oh, was für eine Erleichterung! Ich blickte nach unten, in die Rinne, in der meine rosarote Pisse um den Ablauf strudelte.

Moment mal: rosarot? – Nierenversagen, oder was? Verstört blickte ich mich um. Ein paar Schritte hinter mir stand Obelix im grellen Neonlicht der Deckenbeleuchtung, seine Pumpgun wie ein Baby im Arm. Zu seinen Füßen lehnte ein schwarzhäutiger Kerl mit dem Rücken an der gefliesten Wand und hielt mit beiden Händen seinen Oberschenkel umklammert. Aus dem zerfetzten Stoff seiner Hose quoll Blut. Jede Menge Blut. Ströme von Blut, die über die weißen Fliesen dahinliefen bis in die Pissrinne, wo sie sich eben noch mit meinem Pastisstrahl vermischt hatten.
Aha! Ich glotzte also die beiden Männer eine Weile wortlos an, bis ich mich an meine gute Erziehung erinnerte, ein freundliches bon soir an beide richtete und mich auf den Rückweg zum Zelt machte.
„Haste geträumt“, nuschelte ich der J. zu. Die Wahrheit konnte ich am nächsten Tag immer noch anbringen. Nach einer Mütze voll Schlaf.

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Am nächsten Morgen war natürlich auf dem Campingplatz die Hölle los. Die Urlauber stürmten geradezu das Büro, um zu bezahlen und so schnell wie möglich zu verschwinden. So blieben an diesem Abend nur die beiden M.’s, die J. und ich übrig. Und natürlich Asterix und Obelix, die von dieser Nacht an exklusiv über die beiden Zelte der vier Deutschen wachten.

Ich frage mich heute, nach so vielen Jahren, was Asterix und Obelix wohl dabei dachten, als sich die J. und die M. eines Abends offensichtlich im Zelt irrten und die Nacht auf den falschen Matratzen verbrachten.

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