Mit der Bimmelbahn nach Güstrow

Vor ein paar Tagen mussten der Kollege und ich auf Kundenbesuch nach Güstrow. Zu unserer Ehrenrettung sei angemerkt, dass wir Kunden nicht nur in weltbekannten Oberzentren wie eben Güstrow haben, sondern durchaus auch in respektablen Großstädten wie Bremen, Hamburg oder München. Letzte Woche sollte es aber ausgerechnet nach Güstrow gehen, ins Spannungsfeld zwischen Müritz und Ostsee. Warum auch nicht.

Im Vorfeld gelang es mir, den Kollegen zu bequatschen: „Komm, wir nehmen die Bahn. Dann brauchen wir nicht achthundert Kilometer auf verstopften Autobahnen herumzustehen, sondern kommen entspannt nach ein paar Stunden auf den Gleisen beim Kunden an.“
Wir brachen also morgens auf im ICE in Richtung Hamburg. Die Landschaft flog am Fenster vorbei, es lief prima sogar bis hinter Hannover. Dann blieb der Zug auf einmal stehen. Mitten in einer Kurve. Sie kennen das, wenn der Waggon in Schräglage auf dem Gleis stoppt? Sie fühlen sich, als ob Ihr Gleichgewichtssinn fehljustiert wäre; wie eine Wasserwaage auf Segeltörn.

Nach einer halben Stunde Schieflage und mehreren Zugdurchsagen später konnten wir es uns aussuchen: Wegen Signalstörung, Streckenüberlastung oder Triebwagenfunktionsausfalls würden wir den Anschluss-IC nicht erreichen. Die zwei schwäbischen Mitreisenden in unserem Abteil hatten in ihrer Verzweiflung ein Fläschchen Schnaps geleert, unsere Stimmung war gereizt. Der Kollege hatte längst mehrfach die Vorteile einer Reise im Dienstwagen in glühenden Farben ausgemalt, als wir endlich Hamburg Hbf erreichten.

Zwischenstopp in McPomm

In der Hansestadt bestiegen wir an Stelle des gebuchten IC einen Regionalzug, der bis zum nächsten Umsteigehalt in Bützow sage und schreibe sechzehn Bahnhöfe ansteuern sollte. Zwar spulte das Bähnchen seine Route mit der Präzision eines mecklenburg-vorpommerschen Uhrwerks ab, aber wir fühlten uns in unseren dunklen Businessanzügen zunehmend wie Marsbewohner; oder besser gesagt wie die Besatzung der Curiosity kurz nach der Entdeckung durch die Marsmenschen. Ist eigentlich östlich der Elbe das Prinzip des Schlipses bekannt?
Erleichtert nahmen wir zur Kenntnis, dass am Halt in Bad Kleinen keine GSG-9 wartete, und fielen erst wieder in tiefe Depression, als der Zug kurz vor Bützow auf offener Strecke anhielt. Per Durchsage wurden wir informiert, dass die Weiterfahrt diesmal wegen „Personalienfeststellung durch die Bundespolizei“ unterbrochen sei. – Wenigstens, so sinnierten wir, war die Bahn offenbar dazu übergegangen, schwarzfahrende Minderjährige erkennungsdienstlich behandeln zu lassen statt sie mitten im wilden Osten auszusetzen und den Wölfen zum Fraß zu überlassen.

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Wie recht ich übrigens mit meinen Vorbehalten gegenüber dem motorisierten Individualverkehr gehabt hatte, offenbarte sich erst nach Ankunft in Güstrow: Nachdem wir ein Taxi bestiegen hatten, rollten wir knapp fünfzig Meter bis zur Ausfahrt des Bahnhofsplatzes. Dort sahen wir dem Taxameter eine gefühlte Stunde lang beim Hochzählen zu, bis es dem glatzköpfigen Chauffeur endlich gelang, sich in den fließenden Feierabendverkehr unseres Zielortes einzufädeln.

Die Moral von der Geschicht‘:
Meide Deine Kunden nicht.
Aber überlege gut,
ob wirklich Not die Reise tut.
Konferenz per Telefon
reicht mitunter auch mal schon.

Ein Kommentar

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