Springfluten

Springflut in der Fabrik

Eines muss ich voraus schicken: Ich pflege zu schlafen wie ein Stein. Üblicherweise falle ich um Mitternacht aufs Lager und gefühlt wenige Sekunden später klingelt der Wecker, es ist Viertel nach sechs Uhr morgens. Nur in der Nacht auf den vergangenen Montag erwachte ich von gewaltigem Getöse mitten in der Nacht. Schlaftrunken wandelte ich in die Küche, starrte hinaus ins donnernde Naturschauspiel.
Sagenhaft. Silvesterfeuerwerk ganz ohne Schwarzpulver! Fasziniert machte ich mir ein Tütchen Salzbrezeln und eine Halbe Bier auf. Sowas hatte ich noch nie erlebt, nicht in meinem ganzen ereignisreichen Leben.

Doch wo Licht ist, gibt es auch Schatten. Manchmal sogar jede Menge davon. Den nächsten Morgen in der Fabrik müssen Sie sich ungefähr wie auf dem Bildchen da oben vorstellen. Der Hausmeister stapfte mit finsterer Miene durch das überflutete Foyer (siehe Obelix im Streifenpyjama), während der Wortmischer (mit dem sexy Badeanzug) versuchte, die jodelnde Küchenchefin im psychologisch versierten Gespräch zu trösten.
Das Ganze kam ein kleines Bisschen ungelegen, da gerade der Bürgermeister (Mann mit Kappe links) und viele andere Gäste und Pressevertreter (nicht im Bild, doch hoffentlich nicht abgesoffen) auf den Beginn der Feierlichkeiten zur Grundsteinlegung eines Erweiterungsgebäudes warteten, die just für diesen Tag angesagt war.

Ich sag mal: suboptimale Rahmenbedingungen für das nach der Firmengründung zweitwichtigste Ereignis unseres Gemischtwarenladens. Aber wenigstens hatten wir alle frisch gewaschene Füße. Merke: Immer optimistisch bleiben.
Es kann ja nur besser werden auch noch schlimmer kommen. Am härtesten getroffen hat es letztlich den Polier der Tiefbaufirma. Der stratzte nämlich zielsicher ins nasse Fundament, und ließ sich auch nicht von mir trösten, als ich ihm versicherte, die schicken italienischen Betontreter stünden ihm ausnehmend gut.

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Es bleibt außerdem zu vermelden, dass neben der Fabrikhalle auch mein Liebesleben auf einer beinahe als hawaiianisch zu bezeichnenden Welle surft und ohne jeden Zweifel gerade auf den absoluten Höhepunkt 2016 zusteuert.
Stellen Sie sich vor, gleich zwei untereinander befreundete Damen bezeugen unmissverständlich und zeitgleich ihr Interesse. Also nicht etwa die eine an der anderen, sondern beide am Herrn W. Ich meine: Augenaufschläge, all diese zufälligen Berührungen, strahlendes Lächeln …
Am Feiertag fand ich gar einen Zettel in meiner Jackentasche mit einer handschriftlichen Notiz: „Irgendwann wirst Du Dich ja wohl mal entscheiden müssen!“ – Ich weiß gar nicht, von welcher der beiden Damen dieser beziehungstechnisch zweifellos wertvolle Ratschlag stammt. Ich brauche Schriftproben, auch wenn man die heutzutage ja kaum bekommt. Aber das ist ein anderes Problem …

… und gerade auch nicht das meine. Denn dummer Weise ist es ziemlich egal, wer die Zettelschreiberin ist. Außerordentlich bezaubernd sind sie natürlich beide, zum Anbeißen, oder zum Dahinschmelzen. Nur schmelze ich gerade eben nicht. Ich gebe den Eisberg, weil – ja, weil keine von beiden die Camperin ist.
Denn bei der Camperin könnte ich sehr wohl schmelzen, mit Freuden sogar. Aber ich befürchte, ich habe so ein Händchen für Damen, die unter den gegebenen Lebensumständen leider nichts mit mir anfangen können. Selbst wenn sie wollten.

Sie sehen, es bleibt kompliziert und die Springflut der Leidenschaft wogt gerade an mir vorbei, um irgendwann und irgendwo an ferne Gestande zu branden.

Aber was ich eigentlich sagen wollte: Sie erkennen sicher, dass es mir nicht etwa die Sprache verschlagen hat. Im Augenblick allerdings muss ich erst mal meine Füße trocknen.

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