Markengiganten

Ende letzter Woche brachte Facebook Aktien im Wert von 115 Milliarden Dollar an den Mann und die Frau. Marktforschungsunternehmen schätzen den Wert der Marke Facebook auf 33 Milliarden Dollar. Doch trotz dieser beeindruckenden Zahl ist das soziale Netzwerk längst nicht die teuerste Marke der Welt, auch wenn sie die deutschen Spitzenmarken allesamt in die Tasche steckt.

Die mit Abstand teuerste Marke mit einem Wert von über 180 Milliarden Dollar ist Apple vor Google und IBM, berichtet das Handelsblatt.

Dem Techniker in mir treten die Tränen in die Augen, wenn ich sehe, mit welchen Fesselprodukten diese erstaunliche Apfelfirma ihre Jünger knebelt. Es wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben, warum mündige Bürger, die bei jeder Gelegenheit für Freiheit und Selbstbestimmung auf die Straße gehen, wie Lemminge einem richtig teuren Smartphone nachlaufen, das ihnen vorschreibt, wie und wo sie welche Musik abspeichern dürfen. Dass das so ist, darf man allerdings nicht Apple ankreiden, sondern der Zombie-Fangemeinde, das weiß ich wohl.

Gerade deshalb werden aus meinen Techie-Tränen schier Sturzbäche, wenn ich als Vater zweier annähernd erwachsener Töchter zusehen muss, wenn trotz mahnender Rhetorik iPods angeschafft werden. Nur unter Aufbringen gewaltiger Mengen an Selbstüberwindungskraft gelingt es mir, die mediale Big-Brother-Software namens iTunes auf dem Familien-PC zu installieren. Und eines Nachts schluchzte ich erstickt in mein Kissen, nachdem Tochter 3.0 sich bei mir beschwert hatte, sie könne von ihrem iPod unterwegs keine Musik löschen, um Platz für neues Material zu schaffen, und im gleichen Atemzug die Schultern zuckte, sich die weißen Stöpsel in die Ohren schob und notgedrungen die alte Mucke hörte. – So ist das eben. Dafür besitzt man ja ein Apfelprodukt.

Das ist die Macht der Marke. Die Kraft der 180.000.000.000 $. Dagegen kommen weder väterliche Tränen noch eigene schlechte Erfahrungen an. Der Apfel bleibt ein Apfel, und nur die Tatsache, dass wenigstens Sohn 2.0 zur androiden Alternative gegriffen hat, lindert den Herzschmerz ein wenig.

Schachgeplänkel

In der Moskauer Tretyakov-Galerie sitzen zwei Männer in einem verglasten Käfig auf Bürostühlen zwischen drei Kameras. Zwischen den beiden ist auf dem Tisch ein Schachbrett aufgebaut. – Eine aus Zuschauersicht gewöhnungsbedürftige Aquarienoptik, wie ich finde.

Blick in die Tretyakov Galerie am 11.05.2012

Seit Freitag spielen Weltmeister Viswanathan Anand und sein Herausforderer Boris Gelfand um die Weltmeisterschaft 2012 im Schach. Und ich hatte versprochen, ab und zu ein paar Worte zum Fortgang der WM abzusondern.

Wer selbst zusehen möchte, braucht übrigens nicht nach Moskau zu reisen, sondern kann sich über die Website des Weltschachverbandes den Livestream zu allen Partien ansehen. Das Bild oben ist ein Screenshot des Streams vom Samstagnachmittag.
Dort moderiert der Chefredakteur der Chess News die Kommentarsessions wechselnder Schachgroßmeister; während der ersten beiden Partien interpretiert der Brite Nigel Short das Geschehen auf dem Spielbrett.

Wer sich nur für Ergebnisse und gelegentliche Randnotizen interessiert, dem empfehle ich hingegen mein Gezwitscher unter @wortmix.

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Das WM-Match entwickelt sich offenbar genau so, wie es die Experten vorhergesehen hatten. Überraschungen gibt es wenige, die beiden Kontrahenten geben sich keine Blößen, und die Partien enden relativ zeitig ohne Siege und Niederlagen. Man tastet sich ab und geht keine Risiken ein. Erstaunlich ist, dass der Kommentator Short, der während der Denkpausen Vorschläge zu möglichen nächsten Zügen macht, häufig richtig liegt. Ist das Spiel der beiden tatsächlich so durchsichtig?

Die erste Partie endete am Freitag trotz einiger Attacken nach drei Stunden und 27 Minuten unentschieden, nachdem der Herausforderer Gelfand sich mit den schwarzen Figuren erfolgreich gegen Angriffe Anands zur Wehr gesetzt hatte, jedoch „keine Chance sah, meine Position zu verbessern“, wie er in der Pressekonferenz im Nachgang einräumte.
Diese Pressetermine sind ein Thema für sich. Konferenzsprache ist russisch, das Boris Gelfand als gebürtiger Russe natürlich perfekt spricht. Der Inder Anand sitzt dann meist etwas deplatziert wirkend daneben und blickt unverwandt von einem zum anderen. Aber vielleicht täusche ich ich da auch, denn ich finde, der Titelverteidiger wirkt auch am Spieltisch manchmal deplatziert. Womöglich ist das einfach seine Art aufzutreten.

Die zweite Partie endete gestern erneut unentschieden, nachdem Gelfand, mit den weißen Figuren spielend, zunächst leichte Vorteile herausgearbeitet hatte. – Somit steht es nach zwei Partien 1 – 1 zwischen Anand und Gelfand.

Mir fällt auf, dass beide Spieler häufig und frühzeitig Figurentausch anbieten. Dadurch leert sich das Spielfeld rasch, das Unentschieden wird unausweichlich. Ich bin gespannt, ob das so auch in den nächsten Partien weiter geht.

Heute ist Ruhetag, die dritte Partie beginnt am Montag um 13 Uhr.

Horst-Dampf auf allen Backbones

Endlich spuckt einmal einer in die Hände, gurgelt noch leise einen Fluch, um die eigene Unsicherheit zu überspielen, und packt den Stier bei den Hörnern. Seehofers Horst hat sich aufgemacht, der ganzen Saubande zu zeigen, wo der Bartel den Most holt.

„Die ganze Saubande“ ist in diesem Fall nicht nur der politische Gegner, sondern mindestens genau so gut der eigene Verbündetenkreis: FDP, CDU und CSU. Und den Most holt der Bartel Horst im Web zwo null.

„Des ko doch ois net so schwea sei, zefümfal!“, wird er gemurmelt haben, als er an seinem PC einen Facebookaccount eingerichtet und sogleich eine dieser berüchtigten „Fäisbuk-Parties“ angemeldet hat.
Da hat er schon viel d’rüber gehört, der Horst: von riesigen Besuchermassen, die zur Vermeidung von Personenschäden von der Polizei noch vor Partybeginn nach Hause geschickt werden mussten; von weltweiten Presseberichten über die verwegene Feierlichkeit; vom Mythos der Outlaws, der Web-zwo-nuller umweht wie Piraten …

Und überhaupt, mit Polizei und Piraten kennt er sich aus, der Horst. Das wär doch gelacht, wenn er das nicht hinbekommen würde mit den „Social Media“. Wenn diese Piratenloser das können, warum dann nicht auch ein strammer Unionspolitiker? Und von dem bisserl „Liquid Democracy“ ist einer doch nicht gleich angesoffen, der auf der Wies’n zwei oder drei Maß stemmen kann, oder?

Und damit die Fachkompetenz auch gleich in geballter Form rüberkommt, hat der Seehofer Horst auch gleich noch einen Twitteraccount als @HSeehofer eingerichtet; für alle Fälle.

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Lieber Herr Seehofer,

Sie werden wahrscheinlich schon selbst festgestellt haben, dass man nicht in drei Tagen zum Web-zwo-nuller wird. Es reicht halt nicht, über Facebook auf eine Party in eine Nobeldisco einzuladen und einen Twitteraccount mit genau einem eigenen Tweet anzulegen, um gekonnten Umgang mit den neuen Medien zu demonstrieren.

Das ist so ähnlich, wie es früher auf der Schule auch schon war: Als der Klassenstreber in der Achten oder Neunten angekommen war, merkte er auf einmal, dass ein Notenschnitt von 1,0 nicht alles war. Die Hormone regten sich, und der Streber wäre in den Pausen auch gern mit den hippen Mitschülern und vor allem Mitschülerinnen zusammengestanden. Aber er konnte sich schlecht einfach dazustellen, stumm wie ein Fisch; weil er wusste gar nicht, worüber Hipster so redeten.
Aber weil die Eltern des Strebers ganz gut betucht waren, lud er einfach die ganze Klasse zu einer riesigen Geburtstagsparty in ein Lokal ein mit teurem Buffet und freien Getränken für alle. Gekommen ist dann nur die Hälfte der geladenen Gäste; und zwar ausgerechnet die Hälfte, auf die der Streber eigentlich lieber verzichtet hätte. Die Party ist dann auch ziemlich in die Hosen gegangen, und am nächsten Tag war der Streber noch genau so isoliert wie zuvor. Darüber hinaus lachten seine Mitschüler nun auch noch über ihn.

Die Moral von der Geschicht‘:
Mit Geld kauft man sich Freunde nicht!

Und wer so tut, als gehöre er dazu, obwohl er keine Ahnung hat, wo der Bartel den Most tatsächlich holt, der zahlt im besten Fall Lehrgeld. Und wenn er Pech hat, macht er sich dabei auch noch lächerlich.

Beste Grüße & nichts für ungut,
Ihr Wortmischer

E-Book-Boom?

Die Wirtschaftswoche hat eine übersichtliche Grafik zum Thema E-Book-Reader veröffentlicht, die man oder frau sich ruhig einmal ansehen sollte, sofern Interesse am Thema „Bücher auf dem Bildschirm lesen“ vorhanden ist. Als Bahnvielfahrer ist mir in den letzten Monaten aufgefallen, dass die elektrifizierten Plastikbücher mittlerweile ihre Abnehmer finden: Immer häufiger sieht man in Zügen und Wartesälen, sorry: Lounges, Menschen meist mit Kindles in den Händen herumsitzen.

Ich selbst hatte vor zwei Jahren einmal einige Tests mit dem Oyo gemacht, die mich schnell wieder zurück zum gedruckten Buch trieben; das Ding ließ sich im Vergleich zu manchem Papierroman in Überlänge zwar bequem in der Hand halten und dabei selbst einhändig bedienen, aber die zähen Bedienungsabläufe, der kontrastarme Bildschirm und vor allem die zumindest mir fehlende Orientierung im Text ließen mich das Ding rasch beiseite legen.

Heute verwendet Tochter 3.0 den ollen E-Book-Reader, weil sie entdeckt hat, dass man mit der Ausweisnummer der örtlichen Bücherei kostenfrei E-Books aus dem Netz ausleihen kann. Seither zischt bei uns ein E-Book nach dem anderen durchs WLAN, auch wenn – oder gerade weil? – die digitalen Schinken nach Ablauf der Leihdauer von zwei bis drei Wochen nicht mehr lesbar sind. (Das erinnert mich immer an die TV-Serie Mission Impossible, in deren Vorspann das Tonbandgerät mit dem kriminalistischen Auftrag nach dem Abspielen in Rauch aufging.)

Aber ich wollte ja eigentlich etwas zu der Infografik der WiWo schreiben. Die Törtchen- und Balkendiagramme sprechen von einem wahren Boom und einer Marktsättigung mit E-Book-Readern bis 2016. Relativiert wird das gewaltige Wachstum jedoch von einer einzigen Zahl in der Grafik: Derzeit geht nur ein Prozent des Buchumsatzes an E-Books. Diese beiden Aussagen passen doch nicht zusammen; entweder werden auch nach 2016 noch jede Menge elektonische Lesegeräte verkauft, oder der Handel wird über den läppischen Prozentanteil nicht weit hinaus kommen.

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Ich liebe Bücher. Zum Lesen, zum Anfassen und zum Ansehen. Meine Bücherwand ist mir eine Augenweide, und ich verbinde mit jedem der dort stehenden Bücher eine Geschichte. Wenn ich aber daran denke, wieviele alte Schinken weltweit höchstens einmal gelesen und dann jahrzehntelang unberührt umherstehen, um zuletzt im Altpapier zu landen, wird mir ganz anders. — Mir schaudert vor toten Bäumen.

Die E-Leserei muss besser werden.

Freitagstexter: Pokalverleihung

Der Güldene Freitagstexterpokal

Verehrtes Publikum, liebe Freitagstexter, ich freue mich, dass Ihr mit so viel Eifer und Erfindungsfreude kommentiert habt. Da sind viele dolle Dinger dabei. Und jetzt weiß ich auch wieder, warum ich nie in einer Jury sitzen wollte: Es fällt mir sehr schwer, mich für nur einen Eurer Kommentare zu entscheiden.

Aber so ist das nun mal, und ich zwinge mich jetzt dazu, den Bohlen raushängen zu lassen, also rein metaphorisch gesprochen, meine ich. (Lacht nicht!)

Fanfarenbläser, das Signal für den Herold!

Hier könnte Deine Bildunterschrift folgen!

„Karl-Heinz überzeugte auf dem Klempnerball mit einem feinen Ripp.“

Dieser sagenhafte „feine Riffpp“ (ich leg mich auch jetzt beim Abtippen noch auf den Boden vor Lachen) stammt von Shhhhh, dem ich dafür den goldenen Eimer überreiche. – Herzlichen Glückwunsch und Inspiration für die nächste Woche!

Um Haaresbreite auf Platz zwei landet übrigens mark793 mit „Beim ‚Ball der Heizungsableser‘ spielte sich Hans-Werner Suhrbier mit seinem unvergessenen Evergreen ‚See you later, Radiator‘ in die Herzen der Gäste.“ – Mark bescherte mir einen sensationellen Ohrwurm, der mir derzeit allerorten tadelnde Blicke einbringt.

Schade finde ich nur, dass ich all die anderen Spitzenideen aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht auch noch honorieren kann. Ich finde Euch aber trotzdem toll. – In diesem Sinne: See you laters, Fridyators!

Zum FreitagsNexter

Schwarmpolitiker

… oder Politikerschwarm? – An Frau Merkel als Personifizierung der CDU und ihren Mitstreiter Seehofer als Galionsfigur der CSU haben wir uns gewöhnt. Auch dass der SPD-Verkörperer Gabriel im beschlossenen Nichtangriffspakt von den beiden roten Steinen, dem -meier und dem -rücken, flankiert wird, haben wir verinnerlicht.

Die Linke gibt eher Personalrätsel auf: Soll’s nach dem Handtuchwurf von Frau Lötzsch der Herr Ernst richten? Oder doch der Lafontaine? Oder dem sein G’spusi, die Frau Wagenknecht? – Merke: Am linken deutschen Tellerrand, dort wo die Gabel liegt, wird noch geschubst und gepiekt.

Mangels Masse und Publikumsinteresse lass ich die FDP mal weg, auch wenn sich der eine oder andere den Namen des Westerwellensurfers Rösler inzwischen merken kann.

Aber jetzt aufgemerkt, liebe Passanten! Ein neuer Name, den wir uns werden merken müssen; den des Jack Sparrow der Piratenpartei … äh, ich bitte um Verzeihung, ich meinte selbstverständlich „Captain“ Jack Sparrow:

Bernd Schlömer heißt der Chefhering, Schwarmführer, oder kurz Schwarmeur, wie ihn Die Zeit nennt.

Nochmal alle zusammen im Sprechchor: B-E-R-N-D S-C-H-L-Ö-M-E-R !

(Glücklicherweise verfüge ich über ein quasi fotografisches Namensgedächtnis, so dass es mir ein Leichtes sein wird, mir diesen Namen zu merken. Zumindest so lange, bis in ein paar Wochen oder Monaten der nächste Schwarmhäuptling ernannt wird.- Klar machen zum Ändern!)