Freitagstexter: Pokalverleihung

Freitagstexter-Pokal

Heute ist es wieder so weit! Sehen Sie den Pokal da oben funkeln und glitzern? Wer ihn wohl mit nach Hause wird nehmen dürfen? – Die Entscheidung nach der Wettbewerbsausschreibung war wieder mal sehr schwer. Aber das sage ich ja jedes Mal, und den anderen Freitagstexterjurys geht es bestimmt auch nicht anders.

Also. Mal hergehört. – Siegerehrung!

Die Bronzemedaille der olympischen Nichtschwimmer-Disziplin über einen Meter achtzig geht an den Herrn Vielfraß für: Schwimm nicht zu weit raus Schatz, es wird gleich dunkel.
Silber hat sich redlich verdient Herr Leisetöner mit seinem Seitenhieb auf die historischen Rettungsschwimmer von Malibu: „Wenn der Hasselhoff nur nicht soviel dafür zahlen würde…“, dachte Heidi und schrubbte weiter. *

Nur eine Fischlänge voraus, aber gemäß Reglement trotzdem auf Platz eins holt Gold und damit auch den Pokal …

Copyright„Sogar nach vielen Jahren noch machte sich bemerkbar, dass Harald als Kind zu heiß gebadet wurde.“

Mr. Spott, dessen Kommentar für große Heiterkeit bei allen Jurymitgliedern sorgte, wahrscheinlich weil einige von ihnen das schwere Schicksal Haralds teilen und in frühen Jahren entweder in der Wanne gesotten oder aber mit dem Bade ausgeschüttet wurden. Die Ärmsten.

Allen anderen Teilnehmern sei versichert, dass wir uns auch über ihre Kommentare sehr amüsiert haben. Lasst Euch nicht entmutigen und macht unbedingt am Freitag wieder mit beim …

Zum FreitagsNexter
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*) Hasselhoff. Den kann ich auf gar keinen Fall unkommentiert hier herumgeistern lassen. Bei mir ist der Kerl in gewisser Weise dreifaltig präsent. Wirklich gern gesehen hab ich irgendwann in den Achtzigern die Serie Knight Rider, in dem der Hoff über eine frühe iWatch mit einem Vorläufer des Google-Autos kommunizierte und mit Hilfe der Karre irgendwelche US-Ganoven auseinandernahm. (Ich schrieb damals gerade an meiner Diplomarbeit im Fach Künstliche Intelligenz, da fand ich diese Uhren-Auto-Sachen superspannend.)
Dann kam sein Wahnsinnserfolg mit dem Mauerfall-Gedenksong „Looking for Freedom“, der mich schon ziemlich genervt hat und den ich bis heute nicht mehr hören kann. (Wenn der gespielt wird, schalte sogar ich das Radio ab.)
Und dieses Getue schließlich um Baywatch konnte ich dann gar nicht mehr ertragen. Boah, was hat es mich gegruselt vor all den bodygepimten Hauptdarstellern. Ich sag nur: Pamela Anderson; laut Wikipedia „die meistgeklickte Frau im Internet“. (Fast hätt ich mich jetzt auch noch vertippt.)

Und vor ’nem Jahr seh ich den Hasselhoff auf einmal in einem Video von der re:publica. Was macht der denn da, denk ich mir. Keynote-Speech? Worüber denn? Über K.I.T.T. und das Google-Auto vielleicht? Aber dann hat er doch wieder nur gesungen und ich musste Youtube ganz schnell zum Schweigen bringen.
Aber bevor ich abgeschaltet habe, da hab ich seine Augen gesehen. Durch die konnte man direkt bis auf den Grund seiner Leber schauen. Da hat er mir dann auf einmal richtig leid getan, der Hoff. Man möchte wirklich nicht mit ihm tauschen.

Freitags: Badetag

Die Feder ist mächtiger als das Pferd.

Das waren noch Zeiten, als die ganze Familie mit Handtüchern über den Schultern und Papa mit einem Stück Kernseife in der Hand am Samstagvormittag in die öffentliche Badeanstalt marschierten, um sich den Dreck der zurückliegenden Woche aus den Poren zu spülen. Heutzutage badet ja jeder ständig und überall. Tochter 3.0 ist an manchen Tagen sogar dreimal unter der Dusche anzutreffen.

Klar ist also: Im Hause Wortmischer gibt es Badewasser im Überfluss!

Mit diesen Vorkenntnissen ausgestattet werden Sie sich sicher nicht über die Maßen über das nachfolgende Bildchen wundern, das ich heute der Gemeinde zur Betextung vorlege. Lassen Sie die Gedanken fließen, schrubben Sie Ihr Oberstübchen blank und lassen Sie uns teilhaben am geistigen Erguss Ihrer Anstrengungen:

Der Badewannenmeister

Wer nicht weiß worum oder wie es geht, der lese doch bitte zunächst die Spielregeln. Für die Möglichkeit, diesen Wettbewerb auszurichten, danke ich meinen Eltern, ohne die ich nicht hier sitzen würde, und dem werten Herrn Nachbarn Bee, ohne dessen freundliche Entscheidung nicht seit Mittwoch der Freitagstexterpokal auf meinem Sekretär stünde. Und für das Bildchen bedanke ich mich wie immer bei netten Menschen, die mir derlei Schabernack gern und oft per Mail zukommen lassen.

So. Zuletzt danke ich noch all denen, die sich jetzt dazu durchringen, eine Bildunterschrift für die Szene da oben in die Kommentare zu tippen. – Frisch ans Werk! Und versäumen Sie bitte nicht, am kommenden Mittwoch hier in der Wortmischerei dem nächsten Freitagstexter zu applaudieren.

Tanz der Vampire

El baile de los vampiros

Uuuh! Es wird ungemütlich in Deutschland! – Die Grillfeuerstellen der Willkommensfeste vor den Unterkünften der Flüchtlinge sind ausgetreten, dünne Rauchsäulen ziehen durch die nasskalte Luft und tragen den Geruch nach Verkohltem durchs Land. Die Asyl Suchenden habe sich in die verschwitze Hitze der durchgeheizten Container zurückgezogen, und gegenüber im Kanzleramt zieht Mutti Merkel die Vorhänge zu, weil sie ohnehin nichts mehr sieht in dieser verdammten Nebelsuppe. Sie fröstelt, und mit der Kanzlerin frösteln wir alle.

Unten im Foyer des Amtes steht der Seehofer Horst. Bestimmt hat der in seinem ausladenenden schwarzen Ledermantel eine Garnitur Küchenmesser untergebracht. Lange muss er sich nicht mehr gedulden. Die Iden des März nahen, spätestens dann wird der Horst seine Messer verteilen und sie werden die Treppe hinaufsteigen ins Wohnzimmer von Mutti Merkel. Nur der Schäuble wird ja den Aufzug nehmen müssen. Aber vielleicht ist er dann als erster dort oben …

Schmidts Helmut hat es hinter sich. Bestimmt beneiden ihn schon einige darum. Aber für uns andere ist es eine Katastrophe, dass uns der Lotse nicht mehr die Welt erklären und uns vorleben kann, wie man drohendem Unheil ohne gebräunter Unterhose entgegentritt und nicht in Panik verfällt im schwindenden Licht der Götterdämmerung.
Die Wolfsburg, hab ich gehört, versinkt gerade im Morast der Sümpfe des Betruges wie einst die Titanic nach ihrem Tanz mit dem Eisberg. Hoffentlich haben die Volkswagenbauer wenigstens die Werkstore geöffnet und die Angestellten in sicherlich längst bereit stehende Rettungsboote der Arbeitsagenturen eingeschifft, bevor alle Ausgänge des Industrietankers blubbernd in der Schwefelsuppe untertauchen.
Auch die deutscheste aller Banken ist schwer gerupft. Die Amerikaner reißen dem germanischen Finanzadler gerade die Federn einzeln aus und ihren Horst an der Flanke des chinesischen Qomolangma hat die Bank schon aufgeben müssen. Wie lang ist die durchschnittliche Überlebensdauer nackten Federviehs im Blizzard?

Dem deutschen Kranich geht es übrigens auch nicht besser. Statt durch die Lüfte zu gleiten, oberhalb dieser erstickenden Nebeldecke, im Licht der Sonne, bleiben die Flieger am Boden, weil niemand an Bord ist, der Saft durch die Gänge schubsen und den Gebrauch von Schwimmwesten demonstrieren könnte.
Aber ehrlich: Vielleicht ist es besser, die Lufthanseaten bleiben freiwillig am Boden, bevor noch ein depressiver Pilot im Novembergrau die Nerven verliert und der ganze Vogel samt Innereien in einen Berghang flattert wie unlängst beim Kranichtöchterchen „Deutsch-Schwinge“. Und die Dichte von Flugabwehrraketen innerhalb der genutzten Verkehrs-Flugrouten steigt ja auch täglich.

Alles Grau in Grau! Schlimm ist das. Und der allerletzte, der uns noch hätte heimleuchten und einen Weg in die Sicherheit aufzeigen können, bei dem brennt auch gerade das Glühbirnchen durch. Die einstige deutsche Lichtgestalt tanzt nicht mehr mit dem Ball am Fuß über den Rasen, sondern rennt davon, so schnell ihn die Beine tragen, bevor ihm die Untoten die zerkratzte Kaiserkrone vom Haupt zerren und ihn in ihre Mitte aufnehmen können.
Vielleicht gibt es in München Stadelheim ja einen Fußballer-Zellentrakt, den sich der Franz, der Uli und vielleicht als nächster schon der Günter teilen können? Aus dessen Duschköpfen statt Wasser Weißbier rauscht?

Jedenfalls: Der Kaiser tanzt nicht mehr und die Kaiserin Kanzlerin auch nicht. Statt dessen sind die Vampire in ihren Grüften erwacht und streifen durch die Kälte der deutschen Nacht auf der Suche nach Opfern. – Klug wäre es allemal, sich jetzt aus dem Staub zu machen, bevor es beim Tanz der Vampire im großen Spiegelsaal der Republik auffällt, dass man der einzige ist, dessen Bild im Spiegelglas zu sehen ist …

Ajos

[lightgrey_box]Freitag, der dreizehnte: Das ist mein Beitrag zum fünfzehnten Stichwort im Schreibprojekt *.txt. Die Textbeiträge zu allen anderen Stichworten, sowie Links zu den Projektseiten findet man nach einem Klick auf „Mein *.txt“.[/lightgrey_box]

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Smartphone-Verbot an Schulen?

Handydeals

Über Johannes Mirus wurde ich auf einen Artikel von Stephan Noller aufmerksam, in dem der Autor seinen Sorgen um magelhafte EDV-Integration an deutschen Schulen Ausdruck verleiht. Das mag sicher für einige, oder meinetwegen sogar für sehr viele Schulen richtig sein, aber bestimmt nicht für alle.

Ich bin selbst an einer Schule angestellt (wenn auch nicht als Lehrer) und möchte die Kritik relativieren. Meine Schule ist nicht reich und auch nicht groß. Aber wir verfügen über einen IT-Kursraum mit neuen Arbeitsplatzrechnern und der aktuellsten Windows-Installation.
Es gibt WLAN mit hoher Bandbreite für Lehrer und Verwaltungsangestellte sowie ein Intranet für die Oberstufenklassen, über das Lehrer und Schüler Aufgaben, Lösungen und Informationen austauschen können.
Und wir betreiben eine verschlüsselte Cloudinstallation, über die Lehrer, Eltern, die Verwaltung und Dienstleister der Schule in Arbeitsgruppen Dateien gemeinsam nutzen können und nicht mehr sensible Daten ungeschützt als E-Mailanhänge hin- und herschicken müssen – wie das sonst selbst noch in Wirtschaftsunternehmen üblich ist.

Das finde ich für unseren kleinen Laden eigentlich ziemlich beeindruckend. Ganz schrecklich ist es also um unsere EDV-Integration nicht bestellt. Allerdings sind auch an unserer Schule für Schüler Smartphones und WLAN-Zugriff verboten. Das hat Gründe. Allerdings nicht die, die Stephan Noller vermutet. Ich übernehme einmal die Kurzfassung von Johannes zu den Gedanken:

Stephan Noller musste miterleben, wie Handys an der Schule seiner Tochter komplett verboten wurden. Er zieht sehr intelligente Schlussfolgerungen. Da wären zum einen die Lehrer, die eine Machtverschiebung spüren, weil Schüler nun Faktenwissen checken können: „Ein Handy in der Hand einer Schülerin verschiebt das im traditionellen Bildungs-System angelegte Machtverhältnis von LehrerIn zu SchülerIn auf dramatische Weise – (…) das Smartphone stellt letztlich das ganze auf Fakten-Wissen angelegte System in Frage, und das ist bei Licht betrachtet ein riesiger Teil des Bildungs-Systems.“ Und die Eltern? „Die Menschen spüren, dass wir am Rande einer kaum mehr aufzuhaltenden Revolution stehen, die alle Gesellschaftsbereiche betreffen, und kaum einen Stein auf dem anderen lassen wird.“ Also Angst vor Veränderungen.

Ich behaupte einmal, dass weder unsere Lehrer Angst vor einer Machtverschiebung, noch unsere Eltern Angst vor Veränderungen haben. (Okay, sicher bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel.)
Vielmehr gab es in der Vergangenheit immer wieder Fälle, in denen Schüler Smartphones in einer Weise verwendeten, die die Schule zum Handeln gezwungen haben:
Während Klassenarbeiten wurden Aufgaben nach draußen und die Lösungen wieder zurück geschickt. Erstaunlicher Weise hatte plötzlich ein Großteil der Schüler die gleichen richtigen Lösungen und auch die gleichen Fehler auf ihren Prüfungsblättern stehen.
Ebenfalls während der Unterrichtszeit wurde von Schülern über erschlichene WLAN-Zugänge Filesharing in großem Stil betrieben, das unser ziemlich großzügig ausgelegtes Monats-Datenvolumen innerhalb von zwei Tagen ausgelutscht hatte.
Außerdem nahmen Beschwerden von Lehrern zu, dass ihre Schüler im Unterricht alle paar Minuten ihre WhatsApp-Nachrichten checkten und antworteten.

Seither werden Smartphones an unserer Schule gemäß Hausordnung eingezogen, wenn jemand damit in der Hand erwischt wird. Wir verbrennen sie allerdings nicht, sondern geben sie nach Unterrichtsende an die Besitzer zurück.

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Ich bin ja nun selbst überzeugt davon, dass Schulunterricht in nicht zu ferner Zukunft und in wachsendem Maß in digitaler Form stattfinden wird, so wie das heute schon an Universitäten der Fall ist. Tablet-PCs werden auch in unsere Klassen Einzug halten.

Wie wir aber mit dem schleichenden Übergang zwischen notwendiger Faktenrecherche und nicht unterrichtsbezogenem Missbrauch umgehen sollen, das muss sich mir erst noch offenbaren.

Mit dem Segway auf dem Jakobsweg?

Camino de Santiago

Und vielleicht sollte ich es mir doch noch einmal überlegen und mich zusammen mit einhundert Millionen Hindus in die Fluten des Ganges stürzen, um mich von Sünde zu reinigen* und dafür ein paar Kilo Kolibakterien in mich aufzunehmen. Oder mich auf die Hadsch zu begeben, um mich in Mekka am Fuße der Kaaba als Ungläubiger zu outen und steinigen zu lassen.

Ehrlich: Ich bin fasziniert von dieser Massensportart Pilgern. Was bringt Menschen dazu, sich unter Tausende und Abertausende Gleichgesinnte zu begeben, um ihr Seeleheil auf den rechten Weg zu bringen? – Im Vergleich zu solchen Mammutveranstaltungen ist doch ein Besuch beispielsweise der Münch’ner Oktoberwies’n ein einsamer Eremitenspaziergang.
Damit wir uns nicht missverstehen: Auch wenn ich selbst dem Gedanken, mich auf den Weg zu machen, um die Gebeine des Apostels oder den Bart des Propheten zu besuchen, überhaupt nichts abgewinnen kann, so verstehe ich Menschen durchaus, die auf einsamem Wege zu sich selbst finden, in der Stille einer Wanderung eine wichtige (und richtige) Entscheidung treffen, oder einfach durch den Rhythmus ihres Schrittes alles ausblenden und sich neu erfinden wollen. Das ist vollkommen okay. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.

Was mir aber nicht in den Kopf will: Welchen Kick ziehen die Leute aus diesen Massenveranstaltungen? Das kann doch einfach keine Entspannung, das muss Stress pur sein! Dieser ständige Kampf gegen zig Mitbewerber, wer kommt schneller ans Ziel, wer bekommt noch einen Platz in der Herberge und wer muss bei den Hunden auf dem Dorfplatz schlafen? Wieso kostet ein Mittagessen in einer Schenke am Wegesrand in der spanischen Provinz auf einmal mehr als im In-Restaurant in München-Paris-New York? Was hat das alles noch mit Besinnung zu tun?

Es bleibt nur eine Deutungsoption: Darwin hat sich geirrt. Der Mensch stammt nicht vom Affen sondern vom Lemming ab.

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*) Sie haben ja sicher alle mitbekommen, dass ich unlängst unzüchtiges Gedankengut hegte.

Weihnachtsgeschenke

„… Ja, Herr Bruns ist der Chef von Human Resources, und nein, sie können ihn jetzt nicht sprechen. Er ist in einem Gesprächstermin … Bitte sehr, gerne, in einer halben Stunde wieder. Auf Wiederhören.“
Ich legte den Hörer auf. Das war nun schon der vierte Anruf für den Personalchef gewesen, seit Anja aus dem Hotline-Team in seinem Büro verschwunden war. Ich hatte sie alle auf später vertröstet, hoffentlich war das Personalgespräch bald vorüber.

Tatsächlich flog die Bürotür von Herrn Bruns kurz darauf schwungvoll auf, und Anja Berger stürmte an mir vorbei, schluchzend und mit tränenüberströmtem Gesicht. Ich sah den Chef fragend an, als er hinter Anja aus seinem Zimmer heraustrat.
„Ich hasse solche Gespräche“, raunzte er und setzte sogleich an, eine Erklärung nachzuschieben. „Frau Berger ist im letzten halben Jahr dreimal unentschuldigt zu spät zu ihrer Schicht erschienen. Und das nicht nur um fünf Minuten. Beim ersten Mal haben wir noch ein Auge zugedrück, sie nur ermahnt. Beim zweiten Mal gab es ’ne formale schriftliche Abmahnung. Und jetzt eben hab ich sie gefeuert.“
Ich räusperte mich. „Sie wissen aber schon, Herr Bruns, dass Anja Berger zwei Kinder hat und alleinerziehend ist? Da kann es schon mal schwierig werden, Zeitpläne einzuhalten. Und in vier Wochen ist Weihnachten. Die Frau sitzt jetzt echt in der Bredouille.“
Natürlich musste Bruns nicht wissen, dass ich Anja auch privat kannte und wir an Wochenenden ab und zu um die Häuser zogen. – Das arme Mädchen, das würden lange Telefongespräche werden an den nächsten Abenden.

„Aber genau das ist doch das Problem, Carlotta!“ Karl Bruns blickte mich überrascht an. „Solche Leute wie Frau Berger kann sich unser Unternehmen nicht leisten. Natürlich steht sie unter Druck, das sehe ich doch auch. Aber dann muss sie eben Stütze beantragen, statt sich für ihren Halbtagshausfrauenjob auch noch von ihrem Arbeitgeber durchfüttern zu lassen. Verantwortung! Wo bleibt die persönliche Verantwortung?!“

Bruns drehte eine Pirouette, wollte erst an seinen Schreibtisch zurück, doch überlegte es sich noch im Weggehen anders.
„Ach ja, Carlotta“, rief er mir zu. „Rufen Sie bitte in der Rechtsabteilung an; die können sich schon mal auf die Kündigungsschutzklage von Frau Berger vorbereiten. Und wo Sie gerade Weihnachten erwähnen: Machen Sie sich doch schon mal ein paar Gedanken über Geschenke für meine Frau und meine Tochter. Und rufen Sie in der Oldtimer Garage an, der Bugatti muss rechtzeitig vor dem Winterschmuddelwetter eingemottet werden.“

Blödes Arschloch, dachte ich bei mir, als Bruns wieder in seinem Büro verschwand. Von wegen „persönliche Verantwortung“! Wer delegieren kann, ist klar im Vorteil. – Diesem Drecksack müsste auch mal jemand so richtig einen einschenken …

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Kalte Wut ein paar Tage lang auf kleiner Flamme angewärmt und eingeköchelt wird manchmal zu einem sehr schmackhaften Gericht.

Als ich am Freitagabend das Sekretariat abschloss, um endlich ins Wochenende zu gehen, hatte ich eine wunderbare Idee für ein schönes Weihnachtsgeschenk an Herrn und Frau Bruns entwickelt. Ich freute mich schon auf das Telefonat, das ich mir für die beiden freien Tage vorgenommen hatte. Im Büro, soviel war klar, durfte ich dieses Gespräch auf keinen Fall führen.

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Genau eine Woche später, stürmte Karl Bruns um halb elf in sein Sekretariat. Sein Gesicht war blass, das Haar ungekämmt und er roch unverkennbar nach Alkohol.
„Notfall, Carlotta!“ Der Chef schnaufte, er machte einen gehetzten Eindruck. „Rufen Sie sofort bei der Anwaltskammer an, die sollen mir einen fähigen Scheidungsanwalt empfehlen. Mit dem machen Sie kurzfristig einen Telefontermin aus und schicken ihm vorher eine Kopie davon!“

Bruns warf einen kleinformatigen Fotoabzug auf meinen Schreibtisch. Ich brauchte keinen Blick auf die Aufnahme zu werfen. In meinem Gehirn war jedes Detail dieses Fotos abgespeichert. Fünf Nächte lang hatte ich von diesem Bild geträumt.

Gewissen

Am Wochenende zuvor hatte ich lange mit Olli Grün telefoniert. Olli hatte als Werbegrafiker in unserem Laden gearbeitet, bis ihn Bruns vor ein paar Monaten rausgeworfen hatte. Wegen „persönlicher Verfehlungen“, was auch immer dahinter stecken mochte.
Jedenfalls war Olli nicht nur bereit gewesen, mir zu helfen. Er hatte sich geradezu darum gerissen, den Job unter dem Siegel der Verschwiegenheit zu übernehmen, den ich ihm angetragen hatte:
Man nehme drei oder vier Fotos, auf denen Karl Bruns während des letzten Betriebsausflugs der Firma abgebildet war. (Die wollte ich beisteuern.) Dann mache man sich auf die Suche nach passendem Bildmaterial im Internet. Sodann – und das war der schwierige Teil – photoshoppe man den Bruns in ein kompromittierendes Foto hinein. – Olli hatte sich selbst übertroffen. Nicht zu dick aufgetragen, aber eindeutig.

„Ich weiß nicht, welcher gewissenlose Arsch dieses Foto aufgenommen und in zehnfacher Ausfertigung an meine Frau geschickt hat, Carlotta!“ Karl Bruns starrte mich mit unverkennbarer Furcht im Blick an. „Und wann, und wo? Ich war doch immer so vorsichtig bei meinen Dates!“

[lightgrey_box]Das ist mein Beitrag zum vierzehnten Stichwort im Schreibprojekt *.txt. Die Textbeiträge zu allen anderen Stichworten, sowie Links zu den Projektseiten findet man nach einem Klick auf „Mein *.txt“.[/lightgrey_box]

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¡Qué calor!

Tengo frío

Mir ist kalt. Von außen und von innen. Die Kälte von außen lässt sich durchaus bekämpfen, es gibt ja rote Schals und ähnliche Kleidungsstücke, auch wenn die derzeit noch im Gruftabteil der Turmwohnung untergebracht sind. Die Sache mit dem Innenfrost ist komplizierter. Man könnte natürlich eine Flasche spanischen Brandys in sich hineingießen. Aber danach stellte man sich bestimmt nicht mehr die Frage nach dem Warum der niedrigen Innentemperatur. Diese einfache Lösung scheidet also aus.

Die Zeichnung da oben entstand gestern während eines Telefonats* mit einer gewissen Dame, von der ich nicht weiß, ob sie hier mitliest. Aber wenn sie das tut, wird sie sich vielleicht gleich wundern. Oder ärgern. Was weiß denn ich. Da muss sie dann eben durch.

Jedenfalls verlief unser Gespräch aus meiner Sicht suboptimal. Und ich will nicht verstehen warum.
Wir kennen uns ja nun schon eine ganze Weile, also ein halbes Jahr vielleicht? Das ist ’ne Menge Zeit, um sich klar darüber zu werden, was man will. Tatsächlich macht die Dame ja auch durchaus den Eindruck, als sei sie sich im Klaren über ihre Ziele. Wenn wir uns in der Öffentlichkeit bewegen – Stammtisch, Partys, Museums- oder Kinobesuche &c. -, gibt sie die kokette Kokotte. Sie flirtet, manchmal sogar was das Zeug hält, so dass Dritte schon mal peinlich berührt weghören und was weiß ich über die Dame und mich denken.
Aber sobald wir unter vier Augen oder zwei Ohren sind, macht sie auf einmal auf Impatiens noli-tangere (Großes Springkraut, a.k.a. Rühr-mich-nicht-an oder Altweiberzorn). Hm.

Nun ist es ja so, dass ich meine Sturm- und Drangzeit schon ein paar Jährchen hinter mir habe. Es geht mir also nicht um leichte Beute, um eine weiter Kerbe, die ich ins Holz meines Bettpfostens schnitzen könnte. Andererseits habe ich nicht einmal andeutungsweise das Schreckenswort der Eheschließung in den Raum gestellt. Keinerlei Grund zur Panik also!
Es könnte so einfach sein, den nächsten Schritt zu machen: Mal einen gemeinsamen Wochenendausflug? Oder eine Urlaubsreise zu zweit? – Echt jetzt mal, oder?
Aber das klappt irgendwie nicht. Jeder meiner dezenten Anfragen wird mit Litaneien von Gründen der Unmöglichkeit ausgewichen.

Sie werden verstehen, ich bin verstimmt. Und ich entschuldige mich dafür, Sie mit meinen Befindlichkeiten aus der sonntäglichen Kuschelecke geschubst zu haben. Außerdem entschuldige ich mich auch noch für den „Altweiberzorn“ da oben im Text; das war gemein.

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*) Interessanter Weise passt dieses Telefondoodle zu einer Aktion, die der Herr Trithemius auf einer seiner Blogplattformen durchführt: Doodeln ohne Draht. (Da ich schnurlos telefoniere, erfüllt mein Bleistiftgekritzel die formalen Anforderungen, auch wenn ich wahrscheinlich viel zu spät dran bin.)