Eine Frau bei 1000°

Im vergangenen Jahr war Island Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse. Grund genug für mich, der ich in meiner Lektürewahl ziemlich mittelmeerlastig bin, einen isländischen Roman auszusuchen. Meine Wahl fiel auf Eine Frau bei 1000° von Hallgrímur Helgason, einem Schriftsteller, Maler, Comic-Zeichner und Comedian, der Isländern wohlbekannt, bei uns bis dahin jedoch so gut wie unbekannt ist.

Dieser Beitrag wurde an eine andere Stelle im Netz der Netze ausgelagert. Dorthin, wo er besser passt. (Juli 2022)

Krieg und Muschiaufstand

Die Prozessführung und das Urteil gegen die drei Aktivistinnen von Pussy Riot zu kritisieren und als politisch motivierte Unterdrückungsmaßnahme zu qualifizieren, gehört in den letzten Wochen zum guten Ton. Blogs, Presse, Politik und Kulturschaffende brandmarken den Umgang mit dem Trio als überzogen, selbstherrlich oder faschistisch. Ich bin nun gespannt, ob die demokratische Gesellschaft eine von diesem Mainstream abweichende Meinungsäußerung aushält.

Bevor ich jedoch zu dieser Äußerungen schreite, möchte ich den Lesern zur Einschätzung des gedanklichen Umfeldes meiner Position ein paar Worte über mich mitgeben. Ich wähle meist grün, sympathisiere aber auch mit Ideen der Piraten, lehne reaktionäres Gehabe in jeglicher Form ab und bin Verfechter staatlicher Nichteinmischung in bürgerliche Angelegenheiten. Ich lehne weder Nacktheit noch Pornographie ab, habe allerdings Probleme mit religiösem Sendungsbewusstsein.

Den Aktionen von Pussy Riot und der dahinter stehenden Gruppe Voina kann ich trotz meiner liberalen Grundeinstellung nicht viel abgewinnen. Zwar habe ich großen Respekt vor Menschen, die für ihre Überzeugung gesellschaftliche Grenzen überschreiten und sogar ihre Privatsphäre opfern. Außerdem bin auch ich der Meinung, dass der russische Staat – insbesondere in Verkörperung durch Herrn Putin – alles andere als demokratisch ist und Reformen benötigt. Allerdings heiße ich es nicht gut, wenn dieser Reformbedarf auf Kosten der Unversehrtheit anderer thematisiert wird.

Die Unversehrtheit Dritter wird meines Erachtens nicht verletzt, wenn beispielsweise Lesben und Schwule durch dramatische Auftritte in der Öffentlichkeit im Rahmen von Demonstrationen oder Themenmärschen auf Missachtung ihrer Rechte hinweisen. Sie wird allerdings sehr wohl durch barbusigen Krawall in orthodoxen Kirchen, durch das Absägen von Holzkruzifixen (mit oder ohne Freilegen von Brüsten) oder durch demonstratives Rudelbumsen in Museen verletzt.

Rudelbumsen im Museum

Obwohl ich kein Freund der Amtskirchen bin, am wenigsten der katholischen, verstehe und akzeptiere ich das Verbot von Strandkleidung in italienischen Kirchen. Und obwohl ich in Bezug auf die Ausübung sexueller Aktivität sehr freizügig denke und handle, will ich niemanden, dessen Schamgrenze niedriger liegt, durch Beischlaf in der Öffentlichkeit belästigt wissen. Das hat etwas mit dem Anerkennen von Wertvorstellungen anderer zu tun, auch wenn diese von meinen eigenen weit abweichen. – Ich kann Liberalität nicht für mich einfordern, wenn ich nicht bereit bin, sie anderen ebenfalls zuzugestehen.

Im übrigen kann ich mich noch gut an die italienische Abgeordnete Cicciolina erinnern, die ihre linke Gesinnung durch Entblößen der entsprechenden Brust kund tat; und an den Nipple Slip von Janet Jackson beim Gesangsduett mit Justin Timberlake. – Sex sells. Die gleiche Absicht unterstelle ich Voina und Pussy Riot.

Zum Prozessverlauf gegen die Aktivistinnen will ich damit nichts gesagt haben, weil ich nicht genug darüber weiß. Allerdings gilt sicher immer noch: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Diese Redensart ist bestimmt auch Russen bekannt, selbst wenn sie aus dem Alten Testament stammt.

Mit der Bimmelbahn nach Güstrow

Vor ein paar Tagen mussten der Kollege und ich auf Kundenbesuch nach Güstrow. Zu unserer Ehrenrettung sei angemerkt, dass wir Kunden nicht nur in weltbekannten Oberzentren wie eben Güstrow haben, sondern durchaus auch in respektablen Großstädten wie Bremen, Hamburg oder München. Letzte Woche sollte es aber ausgerechnet nach Güstrow gehen, ins Spannungsfeld zwischen Müritz und Ostsee. Warum auch nicht.

Im Vorfeld gelang es mir, den Kollegen zu bequatschen: „Komm, wir nehmen die Bahn. Dann brauchen wir nicht achthundert Kilometer auf verstopften Autobahnen herumzustehen, sondern kommen entspannt nach ein paar Stunden auf den Gleisen beim Kunden an.“
Wir brachen also morgens auf im ICE in Richtung Hamburg. Die Landschaft flog am Fenster vorbei, es lief prima sogar bis hinter Hannover. Dann blieb der Zug auf einmal stehen. Mitten in einer Kurve. Sie kennen das, wenn der Waggon in Schräglage auf dem Gleis stoppt? Sie fühlen sich, als ob Ihr Gleichgewichtssinn fehljustiert wäre; wie eine Wasserwaage auf Segeltörn.

Nach einer halben Stunde Schieflage und mehreren Zugdurchsagen später konnten wir es uns aussuchen: Wegen Signalstörung, Streckenüberlastung oder Triebwagenfunktionsausfalls würden wir den Anschluss-IC nicht erreichen. Die zwei schwäbischen Mitreisenden in unserem Abteil hatten in ihrer Verzweiflung ein Fläschchen Schnaps geleert, unsere Stimmung war gereizt. Der Kollege hatte längst mehrfach die Vorteile einer Reise im Dienstwagen in glühenden Farben ausgemalt, als wir endlich Hamburg Hbf erreichten.

Zwischenstopp in McPomm

In der Hansestadt bestiegen wir an Stelle des gebuchten IC einen Regionalzug, der bis zum nächsten Umsteigehalt in Bützow sage und schreibe sechzehn Bahnhöfe ansteuern sollte. Zwar spulte das Bähnchen seine Route mit der Präzision eines mecklenburg-vorpommerschen Uhrwerks ab, aber wir fühlten uns in unseren dunklen Businessanzügen zunehmend wie Marsbewohner; oder besser gesagt wie die Besatzung der Curiosity kurz nach der Entdeckung durch die Marsmenschen. Ist eigentlich östlich der Elbe das Prinzip des Schlipses bekannt?
Erleichtert nahmen wir zur Kenntnis, dass am Halt in Bad Kleinen keine GSG-9 wartete, und fielen erst wieder in tiefe Depression, als der Zug kurz vor Bützow auf offener Strecke anhielt. Per Durchsage wurden wir informiert, dass die Weiterfahrt diesmal wegen „Personalienfeststellung durch die Bundespolizei“ unterbrochen sei. – Wenigstens, so sinnierten wir, war die Bahn offenbar dazu übergegangen, schwarzfahrende Minderjährige erkennungsdienstlich behandeln zu lassen statt sie mitten im wilden Osten auszusetzen und den Wölfen zum Fraß zu überlassen.

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Wie recht ich übrigens mit meinen Vorbehalten gegenüber dem motorisierten Individualverkehr gehabt hatte, offenbarte sich erst nach Ankunft in Güstrow: Nachdem wir ein Taxi bestiegen hatten, rollten wir knapp fünfzig Meter bis zur Ausfahrt des Bahnhofsplatzes. Dort sahen wir dem Taxameter eine gefühlte Stunde lang beim Hochzählen zu, bis es dem glatzköpfigen Chauffeur endlich gelang, sich in den fließenden Feierabendverkehr unseres Zielortes einzufädeln.

Die Moral von der Geschicht‘:
Meide Deine Kunden nicht.
Aber überlege gut,
ob wirklich Not die Reise tut.
Konferenz per Telefon
reicht mitunter auch mal schon.

Olympischer Medaillenrummel

Dass ich mich nicht für die olympischen Spiele in London habe begeistern können, haben die Mitleser bei @wortmix schon mitbekommen. Nachdem aber heute Morgen im Radio ein Streitgespräch zwischen der Moderatorin Barbara Kostolnik und dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes, Herrn Michael Vesper, stattfand, musste ich erst ein paar Mal stutzen.
Man unterstellt dem DOSB offenbar, Konsequenzen aus der Differenz zwischen 44 von deutschen Sportlern gewonnenen Medaillen und einem Planziel von 86 ziehen zu wollen.

Ob das so ist oder ob sich die beiden Streithähne nur nicht leiden konnten, vermag ich nicht zu sagen. Aber alleine die Diskussion darüber regt mich schon auf. Wir müssen dringend wieder alles aufarbeiten, am besten gleich auf der Ebene, auf der Deutschland am stärksten ist: der Funktionärsebene. – Wir können uns nicht einfach mal darüber freuen, dass wir ganz locker unter den zehn erfolgreichsten Sportnationen gelandet sind. Nein, wir müssen unbedingt an etwas herummäkeln können.

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Habe danach mit einem Seufzer einen Artikel der spanischen Vanguardia gelesen, in dem sich der Autor aufrichtig über die 17 Medaillen der spanischen Olympioniken freute: dreimal Gold, davon zwei von Seglerinnen; und überhaupt sei es doch unglaublich toll, dass zwei Drittel aller spanischen Medaillen von Frauen eingesackt worden seien. Was einerseits für das Potenzial der Sportlerinnen spräche, auf der anderen Seite aber die positive Entwicklung der Frauen in der spanischen Gesellschaft unterstreiche.

Es geht also auch entspannter als in Diesem Unserem Lande. Zum Glück.

Schoko-Orangen-Quark

Kochen mit Tochter 3.0 ist immer was Feines. Sowohl der Prozess als auch und im Besonderen das Ergebnis. Heute machen wir Orangen-Schoko-Quark, ein Rezept, das sie aus den Sommerferien bei Ihrer Freundin in Hamburg mitgebracht hat. Wir brauchen Quark, Orangen, Schokolade und Sahne sowie ein bisschen Zucker und eventuell Zimt.

Wir pressen den Orangen ihren Saft ab und verrühren diesen mit Quark, Zucker und Zimt. Außerdem suchen wir einen kleinen Topf aus dem Verhau im Schrank unter der Arbeitsfläche. (Wussten Sie übrigens, dass in unserem Haushalt mindestens zehn Pfannen zu finden sind? Unglaublich, nicht wahr. Und wir brauchen keine einzige von ihnen für unsere Quarknachspeise!) In den Topf geben wir etwas Wasser und setzen eine passende Metall- oder Porzellanschüssel hinein; und aufgemerkt: mit einer Plastikschüssel funktioniert es nicht, daher Metall oder Porzellan!
Wir brechen die Schokolade in Stückchen und naschen jeder eines davon, Tochter 3.0 von der Vollmilch, Papa von der Zartbitter, damit wir auch voll ins Klischee passen. Die restlichen Schokostückchen geben wir in die Schüssel auf dem Topf und stellen den Herd an, bis das Wasser im Topf erhitzt und die Schokolade in der Schüssel geschmolzen ist. Achtung jetzt, die Schüssel kann heiß sein!

Unser Schoko-Orangen-Quark 2012

Die flüssige Schokolade rühren wir sofort in die Quarkmasse, bevor sie wieder kalt und hart wird. Dann schlagen wir die Sahne und heben sie mit einem Kochlöffel vorsichtig unter die Schokoladenmasse. Das macht Spaß, weil man dabei sein feines Gefühl unter Beweis stellen kann und nicht brutal mit dem Mixer hantiert. Wenn nur noch ganz undeutliche Sahneschlieren in der Schokomasse zu sehen sind, verteilen wir das Gemisch auf Nachtischgläser. Bei uns hat es für sechs Gläser gereicht, es ist aber genug auch für acht da, wenn man weniger großzügig ist als wir.
Das Verteilen ist übrigens der wichtigste Moment der Herstellung, da jetzt der Moment gekommen ist, Koch- und Esslöffel abzuschlecken. Bon appetit!

Der Schoko-Orangen-Quark schmeckt ein bisschen nach Mousse au Chocolat, bringt aber deutlich weniger Hüftgold mit. Man kann also zum Ausgleich locker mehr davon essen.

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Zutaten:

500 g Quark, 20% Fettgehalt
Saft von 2 Orangen, frisch gepresst
Zucker nach Geschmack
Eventuell etwas Zimt
100 g Vollmilchschokolade
100 g Zartbitterschokolade
400 ml süße Sahne

Schreiner oder Horrorfilmer?

Wenn ich vor zwanzig Jahren gewusst hätte, was mir heute Spaß macht, wäre ich wahrscheinlich Schreiner geworden und nicht Bytejongleur. Mit Holz zu arbeiten, ist eine tolle Sache, die erstens kreativ ist wie kaum eine andere Tätigkeit, zweitens viel an der frischen Luft stattfindet (und nicht hauptsächlich auf dem Schreibtischstuhl) sowie drittens schöne Erfolgserlebnisse mit sich bringt, die man sich gerne ansieht. Ein paar gute Ideen, detaillierte Planung, Sägen, Raspeln, Verschrauben und schon steht der dringend benötigte Fahrradunterstand.

Der Fahrradschuppen

Jetzt  fehlt noch ein Anstrich als Wetterschutz und die Dachabdeckung, bei der ich noch nicht ganz sicher bin: Soll da eine leichte Plexiglasabdeckung drauf? (Ihr wisst schon, so ein halb durchsichtiger Wellplastikdeckel.) Oder doch lieber ein Holzdach aus Verlegeplatten mit einer Dachpappenschicht oben drauf? Stabiler wäre wohl die Holzvariante, schneller fertig wären die Wellplaste und -elaste.
Ich denke immer noch mit Schaudern an meine Hau-Ruck-Übergangslösung aus Holzresten, die keine fünfzig Euro Materialkosten verschlungen hatte, aber nach dem zweiten Winter eingeknickt war. Diesmal baue ich wohl lieber für die Ewigkeit und nehme Holz und Dachpappe. – Sonst kracht mir bei meinem sprichwörtlichen Glück wahrscheinlich schon im Herbst beim ersten Stürmchen ein Ast vom Nachbarsbaum in mein Plexiglasdächlein.

Alternativ zur Schreinerei hätte ich wohl auch mit einer Karriere als Kameramann bei Horrorfilmen zumindest im B-Genre liebäugeln können. Ich meine, wenn man sich mal das Foto oben rechts ansieht; eine derartig batesmäßige Todesvorboteneinstellung wäre gar keine schlechte Voraussetzung für diesen Job.
Aber wahrscheinlich ist das Bild gar nicht mein Verdienst, sondern ausschließlich und zufällig das meiner neuen Kamera-Äpp, die ich übrigens all denen gerne empfehle, die nichts mit Apfelprodukten oder Instagram am Hut haben, aber trotzdem die aktuelle Retrooptik von Schnappschüssen schätzen.

Ich muss nur Ihr müsst nur aufpassen, dass die Kiddies nicht eines Tages vor jedem Abendessen ihre Teller knipsen und die Bilder auf Facebook hochladen. Dann doch lieber Schreiner.